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Wenn die Gitarre sanft weint

Zum 50. Jubiläum des „Weißen Albums“ der Beatles legt Klaus Beyer mit einer DVD seine ganz eigene Version des Meisterwerks in Bild und Ton vor

Von Detlef Kuhlbrodt

Während der Weihnachtszeit denke ich oft an die Beatles, weil ich an aufeinanderfolgenden Weihnachtsfesten das rote, blaue und weiße Album von der Band geschenkt bekommen habe, und ich denke an Klaus Beyer, den fünften Beatle, der oft in der Vorweihnachtszeit auftritt mit seinen Beatles-Interpretationen.

Irgendwann wohl in den frühen 1970ern hatte Klaus Beyer zum ersten Mal Lieder der ­Beatles in der Radiosendung „Schlager der Woche“ gehört und war gleich begeistert. Damals arbeitete er noch als Kerzenwachszieher und wohnte am Kottbusser Tor. Die ­Beatles öffneten ihm neue Welten, und er wurde ihr größter Fan. Weil seine Mutter kein Englisch konnte, übersetzte Klaus Beyer die Lieder mithilfe eines Lexikons meist wortwörtlich ins Deutsche und vertonte sie dann wieder. Mithilfe zweier Tonbandgeräte überspielte er die Instrumentalpassagen von jedem Beatles-Stück und sang in den Zwischenräumen seine deutschen Übersetzungen, die – der Produktionsweise geschuldet – immer auch ein bisschen psychedelisch klangen.

Später, also Ende der 1980er, begann Beyer damit, alle 13 Alben der Beatles neu einzuspielen, teilweise auch auf Super-8 zu verfilmen und öffentlich aufzutreten. Sein erster größerer öffentlicher Auftritt fand im Dezember 1987 statt, am siebten Todestag von John Lennon, im Berliner Sputnik-Kino. Seine kleinen Super-8-Filme wurden im Filmprogramm der documenta 1987 in Kassel gezeigt, und im Martin Schmitz Verlag ist „Das große Klaus-Beyer-­Beatles-Buch“ mit mehr als 100 seiner Beatles-Übertragungen erschienen. Frank Behnke, Ex-Bassist der Berliner Band Mutter, drehte einen Dokumentarfilm über Klaus Beyer und wurde 1987 sein Manager.

In der Schnittstelle sozusagen zwischen den Genialen Dilletanten der 1980er und dem Technosound nach der Wende avancierte Klaus Beyer zum „König der Wohnzimmermusik“.

Ende der 90er Jahre wurde ihm in der Kerzenfabrik gekündigt. Seinem Chef war Beyers Kunst nicht recht gewesen, weil sie Unruhe in den Betrieb gebracht haben soll.

Seit 2000 hat Klaus Beyer fast jedes Jahr eine Beatles-CD herausgebracht. Zehn Jahre lang war er auch viel unterwegs als Teil der „Schlingensief-Familie“. 2011 schließlich hatte Beyer dann das Werk der Beatles komplett mit seiner Fassung des „Weißen Albums“.

Das Original der Beatles ist Ende 1968, also vor fünfzig Jahren, erschienen. Aus diesem Anlass gibt es nun eine DVD mit Klaus Beyers Super-8-Verfilmungen der Stücke des Albums. Die insgesamt 30 Filme hatte Beyer zwischen 1989 und 1991 gedreht und damals unter anderem in Berlin, Oberhausen, Dresden und Nürnberg gezeigt. Aber „nach einem grausamen Desaster bei einer Filmvorführung, wo etliche der ehemaligen Originale verloren gingen – sie verbrannten beim Projizieren –, gab es keine Vorführung mehr“, schreibt Beyer-Manager Behnke.

Klaus Beyer hatte zwar die Filme auf VHS überspielen lassen, doch die beauftragte Firma kopierte sie in falscher Geschwindigkeit. Glücklicherweise ist Frank Behnke vom Film und konnte alles wieder in mühseliger Kleinarbeit korrigieren.

Die „Weißes Album“-DVD ist jedenfalls gut gelungen, und es ist schön, sie anzuschauen. Auch weil man das Beatles-Album ja in- und auswendig kennt, also ein kompetenter Hörer ist. Aber das Ganze stimmt auch ein bisschen wehmütig, Beyers Bild- und Tonaufnahmen sind ja aus den 1980er Jahren, die Leute sind älter geworden oder gestorben, den sonnenbeschienenen Rasen von „Mutter Naturs Sohn“ gibt es nicht mehr.

Klaus Beyer vertrete seine „künstlerischen Vorstellungen und Ideen mit liebenswürdig bescheidenem Selbstbewusstsein“, hatte Harald Fricke 2001 geschrieben. Das trifft es, glaube ich.

In einem Film ist zu sehen, wie sich die Silhouette des jungen Klaus Beyer als Schattenriss und Hippiezitat im Gegenlicht wiegt. Kurz wird der Schriftzug „Liebe Prudence“ eingeblendet, seine auch leicht schüchterne Stimme passt sehr gut zu dem sehnsüchtigen Lied.

Die Animationen sind einfach, die Zeichnungen naiv, aber manchmal auch doppelbödig.

„Rocky Racoon“ ist ein Wohnzimmersketch mit Pistole, Bibel und Ketchupschusswunde. Bei Bungalow Bill, dem „Muttersöhnchen aus dem Sachsenland“, sitzt Beyers versammelte Familie auf dem Sofa und singt im Chor. Die leicht eiernde Tonaufnahme passt sehr gut zu „While My Guitar Gently Weeps“, bei dem gewalttätigen „Piggies“ sieht man einen Schattenmann ein Beil schwingen, bei „Helter Skelter“ sieht Beyer aus wie ein schicker New-Wave-Sänger. Als Bonusmaterial zu diesen nun auch gut dreißig Jahre alten Filmen gibt es bei der DVD ein paar schöne Live-Nummern, unter anderem von Klaus ­Beyers 64. Geburtstag 2016.

Ich war überrascht, dass mir Beyers Interpretation des Weißen Albums so gut gefällt – als wäre in seiner „reduzierten“ Bearbeitung die Schönheit des Originals besser aufbewahrt als in dem echten Beatles-Album, das man schon zu gut kennt, um es noch angemessen hören zu können.

Klaus Beyer: Das Weiße Album. DVD, Amsel Films 2018, 12 Euro (bei www.klaus-beyer.de)

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