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Neue Bilder gegen alte Klischees

Darstellungen von Sinti*zze und Rom*nja in den Medien transportierten oft Vorurteile. Das beklagt deren Jugendorganisation Amaro Drom – und stellt nun ein Fotoarchiv zur Verfügung, das dabei helfen soll, andere Bilder zu vermitteln

Teilnehmende der Bundesjugendkonferenz 2017 mit der Aktivistin Rita Prigmore, die als Kind den Genozid an den Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus überlebte Foto: Amaro Drom

Von Jana Lapper

Eine Gruppe von Frauen in langen Röcken sitzt auf dem Gehsteig, vor ihnen Pappbecher – sie betteln. Ein Mann musiziert auf einem Akkordeon. Kinder in zerlumpten Klamotten stehen vor einem Berg Müll und blicken mit großen, traurigen Augen in die Kamera.

Teilnehmer der Bundesjugendkonferenz von Amaro Drom im September in Berlin Foto: Amaro Drom

Bilder wie diese erscheinen haufenweise, tippt man die Stichwörter „Sinti und Roma“ in die Google-Bildersuche. Und solche und ähnliche Fotos bestimmen auch die mediale Berichterstattung über diese Menschen. „Die Fotos zeigen immer das Gleiche, meist haben sie mit Armut oder Kriminalität zu tun“, sagt Anne Friedrich vom Verein Amaro Drom, der jugendlichen Sinti*zze und Rom*nja einen Raum schafft, sich zu vernetzen und politisch zu engagieren. Szenen dieser Arbeit zeigen die hier abgedruckten Fotos, die der Verein nun Medien zur Verfügung stellt.

„Auch wenn die Artikel an sich oft differenziert und durchaus gut sind – die Bildredaktionen sind oft nicht für das Thema sensibilisiert“, sagt Friedrich. Im Arbeitsalltag erscheine es dann einfacher und gehe schneller, die Klischees zu reproduzieren. Gerade den Jugendlichen täten diese Klischees weh, berichtet Anne Friedrich, die selbst ein Empowerment­projekt mit jungen Sinti*zze und Rom*nja leitet.

Denn die Fotos in den Medien bestimmen auch das Bild, das die Öffentlichkeit hat. „Die Vorstellungen, die hierzulande über sie kursieren, sind für die Jugendlichen erniedrigend“, sagt sie. „Ohnehin fehlen ihnen positive Vorbilder in der Öffentlichkeit.“ Viele gäben daher gar nicht erst preis, dass sie Sinti*zze oder Rom*nja seien.

Premiere des Stücks „So kheren amenca?! – für immer Urlaub“ 2017 am Maxim Gorki Theater Foto: Nihad Nino Pusija

Ihre tatsächliche Lebensrealität zeigten diese einseitigen Darstellungen nicht. „Die Jugendlichen kommen aus ganz unterschiedlichen Kontexten. Diese Diversität auch zu zeigen ist wichtig. Sie wollen ein selbstbestimmtes Bild.“ Deshalb bietet der Verein nun eigene Fotos auf seiner Homepage zur Veröffentlichung an. Sie zeigen junge Sinti*zze und Rom*nja, wie sie miteinander diskutieren, Aktionen planen, Theater spielen oder einfach nur herumalbern. Laut Friedrich sollen die Bilder aussagen: „Wir sind Rom*nja und brauchen uns nicht zu verstecken.“

Vernetzung auf der Bundesversammlung von Amaro Drom im November in Berlin Foto: Amaro Drom

Die Fotos zeigen auch: In erster Linie sind es ganz normale Jugendliche. Doch einige Unterschiede gibt es dann doch im Vergleich zu anderen Heranwachsenden: „Viele besitzen zum Beispiel kein gesichertes Bleiberecht und müssen um ihren Aufenthaltsstatus bangen“, erklärt Anne Friedrich. Das präge auch den Alltag.

Wie viele Sinti*zze und Rom*nja in Berlin leben, ist unklar. Statistiken erfassen die Staatsangehörigkeit von Zuwander*innen. Nach Schätzungen sollen rund 6.000 Angehörige der oft diskriminierten Minderheit in Berlin leben.

Die Bilder: amarodrom.de/presse

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