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Archiv-Artikel

RELIGIÖSE FUNDAMENTALISTEN: WASHINGTON MISST MIT ZWEIERLEI MASS CIA-Traditionen in Venezuela

„Wir sind in der Lage, ihn zu erledigen, und ich denke, es ist an der Zeit, es auch zu tun.“ Wenn US-Amerikaner von „wir“ sprechen, meinen sie oft ihre Regierung oder Armee. So auch der Fernsehprediger Pat Robertson, als er am Montag vor Millionen Zusehern seinen Mordaufruf gegen Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez ergehen ließ.

Der „Fatwa“ des Bush-Freundes fehlt zwar der offizielle Charakter des Todesurteils, das einst Ajatollah Chomeini über den Schriftsteller Salman Rushdie verhängte, doch ist sie nicht weniger ernst gemeint. Chávez ist in den Augen Robertsons ein Ketzer, der die heiligen Gesetze des Kapitalismus in Frage stellt und das Ölgeschäft nicht aus der Hand geben will. Bisher hat sich Washington darauf beschränkt, eine rabiate Opposition in ihren Versuchen zu bestärken, den demokratisch gewählten Präsidenten Venezuelas zu beseitigen – sei es durch Referendum oder Putsch. Doch gehörte die Beseitigung unliebsamer Politiker immer zum Repertoire der CIA. Fidel Castro, dessen Freundschaft man Chávez als Beweis seiner Gefährlichkeit vorwirft, kann davon ein Lied singen. Keiner hat mehr Attentatsversuche überlebt. CIA-gesteuerte Staatsstreiche und „Unfälle“ haben gerade in Lateinamerika Tradition.

Dass sich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vom evangelikalen Rabauken lediglich dadurch distanziert, dass er jedem das Recht auf Meinungsfreiheit zubilligt und im Übrigen versichert, so etwas werde im Pentagon nicht geplant, ist da zu wenig. „Unangemessen“ findet Sean McCormack, der Sprecher des State Department, die Worte des Mitbegründers der Christian Coalition, jener Allianz der religiösen Rechten, die Bush an die Macht gebracht hat.

Terrorismus ist bekanntlich keine Ideologie, sondern eine Methode, die gerade von religiösen Fundamentalisten gerechtfertigt wird. Doch gerade, was den Terrorismus betrifft, wird in Washington mit zweierlei Maß gemessen. Man stelle sich nur vor, ein muslimischer Imam hätte in den USA via Fernsehen zur Ermordung eines Staatschefs aufgerufen. RALF LEONHARD