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Mathe schon in der Kita fördern

Hamburg liegt bei Mathe in bundesweiten Rankings meist hinten. Was tun?

Von Kaija Kutter, Hamburg

Vor einem Jahr hat Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) eine Expertenkommission beauftragt, Verbesserungsvorschläge für den Mathematik­unterricht an Hamburgs Schulen zu finden. Am Montag haben die Bildungsexperten ihre Ergebnisse vorgestellt. Eigentlich habe Hamburg bereits die „Primus-Rolle in der Bundesrepublik übernommen“, lobte Kommissionsleiter Olaf Köller vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel. Rabe hat schon einige Hebel umgelegt und eine „Mathematik-Offensive“ gestartet, seit deutlich wurde, dass der Stadtstaat eine gravierende Mathematikschwäche hat. Zum Beispiel unterrichteten in der Mittelstufe nur noch studierte Mathelehrer.

Doch die siebenköpfige Expertengruppe sah noch genauer hin: In ihrem 77-Seiten-Bericht nennen sie sechs „Handlungsfelder“. Was Hamburg gut macht aus Sicht von Köller, ist die regelmäßige Prüfung fast aller Altersstufen in Kompetenzen, deshalb „Kermit-Tests“ genannt. Die Tests entsprechen den Standards der Ländervergleichstest. Im Jahr 2012 hatten in Hamburg 28,4 Prozent der Neuntklässler die „Mindeststandards“ in Mathe nicht erreicht. Im Bundesdurchschnitt lag dieser Wert bei 25 Prozent, in den anderen Stadtstaaten Berlin und Bremen bei 32,7 und 38,5 Prozent. Die Schüler gelten als „Risikogruppe“, weil der Übergang in eine Ausbildung gefährdet ist.

Die Empfehlungen der Mathekommission sind teils sehr konkret: etwa, die Kermit-Tests nicht nur für die Schulforschung, sondern auch zur Diagnostik der einzelnen Kinder zu nutzen. Es solle dafür ein Online-Test entwickelt werden. Ferner sollte es verbindlich zwei Klassenarbeiten pro Halbjahr geben und das Schriftliche bei den Noten so gewichtet werden wie das Mündliche. Und es sollten die Oberstufenschüler der Hamburger Stadtteilschulen in Klasse elf eine Stunde mehr Matheunterricht bekommen. Zudem sollen diese Schulen schon in der achten Klasse jene Schüler „speziell fördern“, die später in die Oberstufe wechseln werden. So sollen sie den Abstand zu den Gymnasiasten aufholen. Doch so eine „äußere Lerndifferenzierung“ ist in Hamburg ein umstrittenes Politikum. Viele Schulen halten davon nichts. Ferner soll die Lehrerfortbildung ausgeweitet und verbessert – und wiederum selbst auf ihre Wirksamkeit „evaluiert“ werden.

Die Kommission nimmt auch die Kitas und Vorschulen ins Visier. Denn das mathematische Vorwissen der Kinder beim Schulstart habe „große Vorhersagekraft auf den Schul­er­folg in Mathematik“, der Einfluss des Vorwissens sei „weitaus größer als der der Intelligenz“. In der Kita sollten Erzieher Lernsituationen spielerisch herstellen, sagte Köller, zum Beispiel, indem man zwei Kindern aufgibt, sich sieben Bonbons zu teilen. In den Vorschulen für die Fünfjährigen sollte es ein richtiges Curriculum geben. Die Forscher bemängeln, dass Mathematikdidaktik in der Ausbildung von Erziehern so gut wie keine Rolle spiele. Und schon bei Viereinhalbjährigen sollte neben der Sprachentwicklung auch die Mathekompetenz erhoben werden. Für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf sollte die Vorschule Pflicht sein.

Doch ganz entscheidend für die Ursache von Mathematikschwierigkeiten ist die Sprachkompetenz der Schüler. Hamburg war immerhin 2012 das Bundesland mit dem höchsten Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, konkret 43 Prozent, gegenüber 26 Prozent im Bundesschnitt. Deshalb fordert die Forschergruppe eine Sprachförderung „auch im vermeintlich spracharmen Fach Mathematik“, und dies nicht nur für neu Zugewanderte, „sondern auch für in Deutschland aufgewachsene, sprachlich schwache Lernende“. Nötig sei dafür eine systematische Aus- und Weiterbildung der Mathelehrer.

Generell dürften sich Fördermaßnahmen nicht mit „kurzfristigen Hilfen beim aktuellen Schulstoff begnügen“. Nachhilfe für Schüler wird in Hamburg aber oft von älteren Schülern oder externen Honorarkräften erteilt. Hier wird Hamburg seiner Primusrolle noch nicht gerecht, urteilt die Kommission.

Senator Rabe nannte den Bericht überzeugend. „Wir werden die Empfehlungen sorgfältig auswerten und diskutieren“, sagte er. In Hamburg soll im neuen Jahr eine Fachtagung über die Umsetzung beraten. Da es bundesweit an dem Thema Interesse gibt, ist auch eine Tagung der Kultusministerkonferenz im Gespräch.

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