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Sanftes Schaukeln im Niemandsland

Frankreich hat mehr zu bieten als Gelbwesten: Vorhang auf für Gérald Toto und sein zurückhaltend folkiges Album „Sway“

Nichts klingt angeberisch. Totos Musik symbolisiert feines Understatement

Von Jan Paersch

In fernen Gestaden, und doch anwesend und aufnahmebereit. Wer ohne Begleitung in die Fremde reist und ausschließlich von unbekanntem Zungenschlag umgeben ist, kennt dieses merkwürdig euphorisierende Gefühl: sich allein und doch geborgen fühlen. Ein Zelebrieren von Einsamkeit, wie es nur dort möglich ist, wo man eben nicht zu Hause ist.

Gérald Toto dürfte das Gefühl vertraut sein. Seine Eltern waren aus Martinique nach Frankreich eingewandert, eine Karibikinsel, vor deren Küste die Wassertemperatur auch im Februar nie unter 26 Grad Celsius fällt, wie Wikipedia anmerkt. Gérald Toto wurde im noblen Pariser Vorort Saint-Cloud groß, die Eltern Steuerbeamte mit umfangreicher Plattensammlung. Umgeben von kreolischer Tanzmusik und afrokaribischen Rhythmen, aber auch Werken von Simon and Garfunkel, griff der 1967 geborene Gérald schon im Kindesalter zur Gitarre.

Sein Zimmer im Studentenwohnheim baute er später zum Home-Recording-Studio um, nahm Alben mit dem algerischen Raï-Sänger Faudel auf und sang für die Band Nouvelle Vague, als deren schluffiger Fahrstuhl-Pop gerade international abzuheben begann. Erst im Alter von 37 Jahren kam Gérald Toto mit Richard Bona (Kamerun) und Lokua Kanza (Kongo) auch selbst zu Erfolgen: Das gleichnamige Album ihres Trios Toto Bona Lokua verkaufte sich sogar in den USA blendend und war eine kleine Sensation in Frankreich. Denn nirgendwo ist diese Art von Musik beliebter: Klänge aus dem unkategorisierbaren Niemandsland zwischen Folk, Jazz und Pop. Doch aller Schönheit ihres aktuellen Albums „Bondeko“ zum Trotz dürften es Toto Bona Lokua schwer haben, sich abseits der so unsäglich titulierten „World Music“-Szene zu behaupten.

Ein Gérald Toto allein ist da massenkompatibler: Auf dem just erschienenen „Sway“, seinem ersten Soloalbum seit sieben Jahren, hat der Franzose den Sound weiter entschlackt, man meint fast schon Minimalismus zu erkennen, der einem wie feiner Sand durch die Hände rinnt. Alle Klänge kommen von Toto selbst. Nichts hier ist angeberisch, nichts drängt sich in den Vordergrund.

„Sway“ bedeutet Wiegen oder Schwingen – die virtuose Sanftheit, mit der man hier schaukeln darf, erinnert an den famosen US-Spinner Devendra Banhart. Wie Banhart verknüpft auch Toto melancholische akustische Folklore, Soul und Pop, und fügt Flamenco und Bossa Nova hinzu. Toto flötet, säuselt, haucht, overdubbt sich selbst im Doo-Wop-Style und bricht das Wonnegefühl dann mit den elektronischen Beats von „It’s a Love Pain“, die Richtung House bumpern.

In fernen Gestaden, und doch anwesend – Toto hat dieses Gefühl auf genau zwei Worte reduziert: „Away Alive“. Der vielleicht schönste Song auf „Sway“ verbindet Melancholie („Feeling slightly empty“) mit einer vagen Achtsamkeitsbotschaft („Be mindful now who’s strong“). Genauer sind die Texte nicht zu bestimmen, denn Totos Stimme haucht ausschließlich, mit viel Echo, zuweilen mehrstimmig. Als Sänger ist er kein Freund ausufernder Liebesschwüre: Das samba-artige „My Girlfriend“ besteht lediglich aus ebendiesen beiden Worten.

Reden ist Silber, Schweigen ist Toto. „Sway“ sei sein wahres Debütalbum, hat Gérald Toto gesagt. Man versteht, was er meint. Schöner hat selten jemand ein wohliges Einsamkeitsgefühl vertont.

Gérald Toto: „Sway“ (No Format/Indigo)

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