: Es bleibt laut in Hannover
Die Fans von Hannover 96 wollen keinen erneuten Stimmungsboykott, obwohl sie die Vereinspolitik kritisieren. Am Dienstag entscheidet ein Schiedsgericht über eine Ausnahme von der 50+1 Regel
Mitteilung des Fan-Dachverbandes Rote Kurve
Von Andrea Maestro
Obwohl der monatelange Streit mit Klubchef Martin Kind gerade darin gipfelte, dass der Fußball-Verein Hannover 96 die legitime Forderung seiner Mitglieder nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgeschmettert hat, wird es im Stadion keinen erneuten Stimmungsboykott der Fans geben. „In der sportlich angespannten Situation wird die aktive Fanszene von Hannover 96 weiterhin die Mannschaft im Abstiegskampf unterstützen“, heißt es in einer Mitteilung des Fan-Dachverbandes Rote Kurve – 96 Supporters Club.
Für Hannover 96 ist es sportlich eine desaströse Saison. Das 1:1 beim 1. FSV Mainz 05 hat daran nichts geändert. Die Niedersachsen haben zwar lange geführt, bleiben aber Tabellen-Vorletzter. Zuhause können sie jegliche Unterstützung aus der Kurve gebrauchen.
Aus dem Schreiben der Fans geht jedoch auch hervor, wie gespalten der Verein mittlerweile ist. Auf der einen Seite stehen Martin Kind und seine Unterstützer, die den Verein für Investoren öffnen wollen, damit neues Geld hereinkommt. Und auf der anderen Seite Kind-kritische 96-Mitglieder, die verhindern wollen, dass der Vereinspräsident eine Ausnahme von der sogenannten 50+1 Regel bekommt. Die stellt im deutschen Fußball sicher, dass mehr als 50 Prozent der Anteile an der Profifußballsparte beim Stammverein liegen – und damit unter der Kontrolle der Mitglieder stehen.
Die Rote Kurve kritisiert die „Vielzahl von undemokratischen, den Mitgliedern gegenüber respektlosen und für den Verein existenzbedrohenden Entscheidungen“. Dazu zählen sie auch die Ablehnung der Mitgliederversammlung, obwohl die Kind-Kritiker dafür das erforderliche Quorum an Unterschriften erreicht hatten. „Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken“, schreiben die Fans und setzen ein #wirwollendenneuanfang dahinter.
Kind hat bereits versucht, Hannover 96 von der 50+1 Regel ausnehmen zu lassen. Weil die Deutsche Fußball Liga (DFL) seinen Antrag im Juli ablehnte, zog er vor das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen. Die mündliche Verhandlung ist am morgigen Dienstag. Wann die Entscheidung falle, sei noch unklar, sagte der Vorsitzende des Schiedsgerichts Udo Steiner der Sport Bild.
Sicher ist bereits, dass Vereinspräsident Kind vor dem Landgericht Frankfurt am Main gegen die komplette 50+1 Regel klagen will, sollte er keine Ausnahme bekommen. Die Frage ist, ob die Regel gegen das Kartell- oder Wettbewerbsrecht verstößt. Sollte Kind Recht bekommen, hätte das Auswirkungen auf alle Vereine in den Fußballprofiligen.
Am Dienstag geht es jedoch nur um Hannover 96 und die Frage, ob die finanzielle Förderung Kinds für den Verein „erheblich“ genug für eine Ausnahmeregelung war. 96 und die DFL wollen sich nicht dazu äußern, wie sie ihre Chancen einschätzen.
Dass die Fans trotz der großen Kritik an der Vereinspolitik weiter Stimmung im Stadion machen, begrüßt 96-Sprecher Heiko Rehberg. „Die Fans haben die Mannschaft in dieser Saison super unterstützt. Wir sind froh, dass sie das weiter tun.“
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