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Die gelben Träume rechter Deutscher

Von Sabine am Orde

Wenn Jürgen Elsässer, Chefredakteur der rechtspopulistischen Zeitschrift Compact, in diesen Wochen nach Frankreich blickt, gerät er ins Schwärmen. Einen „Aufstand der Gelbwesten“ – das hätte der ehemalige Linksradikale, der heute ganz weit rechts steht und von einer Querfront der beiden Strömungen träumt, auch in Deutschland gerne.

Was in Frankreich geht, das sollte doch auch hierzulande möglich sein, meint Elsässer – und fordert Gleichgesinnte auf, in gelben Westen auf die Straße zu gehen. „Warum nicht 500.000 Deutsche? Fünf Millionen?“, fragte er auf der Compact-Website schon Ende November unter dem Titel: „Aufstand gegen den Migrationspakt: Warum nicht wie die Franzosen mit gelben Westen?“

Elsässer ist nicht der einzige radikal Rechte, der den Protest in gelben Warnwesten in Deutschland groß machen und für den Kampf gegen den UN-Migrationspakt kapern will. Auch einige AfDler und Pegida-Fans lassen sich derzeit gern in dem schrill gelben Kleidungsstück ablichten. Doris von Sayn-Wittgenstein zum Beispiel, die von ihrer Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag gerade wegen rechtsextremer Schlagseite ausgeschlossen wurde. „Ich trage Gelb. Und Sie?“, fragt Sayn-Wittgenstein in ihrem Post.

Allein: Die Kampagne verfängt hierzulande bislang nicht. Zwar gibt es bei Facebook inzwischen zwei große „Gelbwesten“-Gruppen mit je mehr als 20.000 AnhängerInnen, von denen viele aus ihrer Nähe zur AfD keinen Hehl machen.

Doch während manche offensichtlich eine radikal rechte Agenda verfolgen, bekennen sich andere schlicht zum Dieselmotor. Auf den Fotos von den Aktionen, die in den Gruppen gepostet werden, sind meist nur wenige ­Menschen. Manchmal auch nur eine gelbe Weste, die im Auto am Armaturenbrett platziert ist.

Große Aktionen, wie in Belgien oder den Niederlanden, gibt es hierzulande bislang nicht. Zu der Demo gegen den UN-Migrationspakt von Pegida Dresden und „Zukunft Heimat“ am vergangenen Samstag vor dem Brandenburger Tor kamen rund 1.000 TeilnehmerInnen, neongelbe Westen aber waren nur wenige zu sehen. Auch AfD-Politiker wie Andreas Kalbitz aus Brandenburg und André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt zogen gedeckte Farben dem Neongelb vor. Selbst Elsässer, der doch so sehr von einem „Gelbwesten-Aufstand“ in ­Deutschland träumt, trat bei seiner Rede ohne entsprechende Weste auf.

Gefallen haben dürften dem Querfront-Strategen die Einlassungen von Sahra Wagenknecht. Auch die Linken-Politikerin sieht in den französischen Gelbwesten ein Vorbild für Deutschland – und wünscht sich hierzulande eine ähnliche Bewegung. Parteichef Bernd Riexinger allerdings erteilte dem umgehend eine Absage.

„Das Potenzial Ultrarechter in den Reihen der Bewegung ist besorgniserregend“, sagte Riexinger in einem Interview. Die Zusammensetzung der Gelbwesten sei bedenklich. „In Deutschland“, so Riexinger weiter, „wäre eine solche Verbrüderung linker und rechter Gesinnung nicht denkbar.“

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