: Werkstatt-Einkommen gefordert
Rund 200 Menschen mit Einschränkungen tagten gestern im Bremer Behindertenparlament. Ihre Anträge legen Mängel offen – und stellen konkrete Forderungen an die Bürgerschaft
Von Lea Schweckendiek
Ein bedingungsloses Werkstatteinkommen fordert die Versammlung der Bremer*innen mit Beeinträchtigung von der Bürgerschaft, am besten gleich in der nächsten Legislatur. Bislang verdienen viele Menschen mit Behinderung monatlich 180 Euro. Der Betrag wird sogar von der Grundsicherung abgezogen. Viele der Parlamentarier*innen, die in Werkstätten des Martinshofs arbeiten, wollen ein zum Leben ausreichendes Einkommen von 2.100 Euro, wie es etwa in Schweden üblich ist.
Weil Bundesrecht betroffen ist, fordern die rund 200 Abgeordneten eine Bundesratsinitiative Bremens. Das Werkstatteinkommen ist einer von elf Beschlusslagen der Tagesordnung des „Behindertenparlaments“, das jährlich tagt, so auch gestern.
Außerdem wichtig: barrierefreier, dezentraler Wohnraum, Unterbringung von Obdachlosen mit Einschränkungen. Sogar ein Antrag auf Beweislastumkehr bei Asbestose, der durch Asbest verursachten Lungenerkrankung, schaffte es einstimmig durch die Abstimmung.
Die Verwaltung der Bürgerschaft gibt sich alle Mühe, der mittlerweile 24. Sitzung des Parlaments, unter Organisation des AK Protests der LAG Selbsthilfe, gerecht zu werden. Schwierigkeiten gibt es trotzdem: Recht eng scheint es, mit Rollator zum Rednerpult zu kommen – mit Rollstuhl kaum denkbar. Immerhin eine Übersetzung für Hörbeeinträchtigte gibt es, auch Mikrofone sind an möglichst vielen Stellen aufgestellt.
Die Debatte attestierte auch dem Bremer Versorgungssystem Mängel, wie ein Antrag für weitere psychologische Krisendienste verdeutlichte, den Udo Schmidt einbrachte: „Nicht alle Behinderungen sind sichtbar. Für viele gibt es nicht ansatzweise eine ausreichende Gesundheitsversorgung.“
Mit nur einer ambulanten Einrichtung sei die Situation für Menschen mit psychischer Erkrankung in Bremen prekär. Dies führe dazu, dass nicht dafür geschulte Polizist*innen mit Notsituationen psychisch Erkrankter allein gelassen würden. Die Polizei bringe deshalb Menschen mit psychischen Problemlagen häufig in Handschellen zum Krankenhaus – zum Selbstschutz. „Eine untragbare Situation“, so Schmidt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen