Echte Bombe am Schulterblatt 1

Beim Abriss eines Wohnhauses, das während des G20-Gipfels eine zweifelhafte Berühmtheit erlangte, wurde eine britische 500-Pfund-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und später entschärft

Von Marco Carini

Diesmal war die Munition scharf. Beim Abriss des „G20-Hauses“ am Anfang des Schulterblatts entdeckten Bauarbeiter am Dienstagmorgen im Boden eine Fliegerbombe. Das halbe Schanzenviertel und auch die Hamburger taz-Redaktion wurden stundenlang evakuiert, um den Sprengkörper zu entschärfen.

Die Bilder des Gründerzeithauses am Anfang des Schulterblatts gingen vor eineinviertel Jahren um die Welt. Während des Hamburger G20-Gipfels waren in der Nacht zum 8. Juli Gipfelgegnerinnen über ein vor dem Haus aufgebautes Baugerüst auf das Dach des Hauses gelangt und hatten anrückende Polizeieinheiten mit Gegenständen beworfen. Von „massiv bewaffneten Gewalttätern“ war die Rede.

Die von einem Polizeihubschrauber aufgenommenen Wärmebilder, die diese Aktivitäten filmten, liefen auf allen Fernsehkanälen. Die Polizeiführung schätzte die Gefahr für die Beamten durch den Bewurf so hoch ein, dass die Einsatzkräfte stundenlang nicht ins Schulterblatt vorrückten, obwohl hier Geschäfte geplündert und brennende Barrikaden errichtet wurden.

Der Eigentümer hatte die Polizei vorher zwar auf die Gefahr aufmerksam gemacht, das Gerüst blieb jedoch ungesichert. Verschiedene Experten kamen nach Auswertung der Wärmebilder zu dem Schluss, dass nicht, wie von der Polizei vermutet, Molotowcocktails, sondern Böller vom Dach geworfen wurden.

Nachdem Polizeieinheiten das Haus gestürmt hatten, wurden 13 Tatverdächtige im Hof festgesetzt. Keinem von ihnen konnte eine Beteiligung an den Wurfattacken nachgewiesen werden. Der Abriss des Hauses erfolgte, weil Gutachter der Außenwand des Gebäudes eine mangelnde Standfestigkeit attestierten. Schuld daran soll eine Torflinse im Boden sein. Dort stießen Bauarbeiter am Dienstag in nur 50 Zentimeter Tiefe auf einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Die britische Fliegerbombe musste vor Ort entschärft werden. Alle Gebäude im Umkreis von 150 Metern, darunter das Polizeikommissariat in der Lerchenwache und die Hamburg-Redaktion der taz, wurden evakuiert. Um 14.30 mussten die MitarbeiterInnen die taz verlassen, die Nord-Ausgabe wurde in Bremen produziert.

1.400 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, der Verkehr rund um das Schanzenviertel brach weitgehend zusammen. In einer nahe gelegenen Schule wurde eine Notunterkunft eingerichtet. Nachdem die Evakuierung um 16.10 abgeschlossen war, begann die Entschärfung der 500-Pfund-Bombe durch den Kampfmittelräumdienst. Um 16.45 Uhr wurde der Blindgänger kontrolliert gesprengt.