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Zoll will Informanten

Whistleblowing-Aufruf kann teuer werden

Der Friedensaktivist Hermann Theisen hat eine interessante Erfahrung mit den Strafverfolgungsbehörden gemacht. Vom Amtsgericht Cloppenburg erhielt er Anfang der Woche einen Strafbefehl: Er möge 450 Euro wegen eines illegalen Aufrufs zum Whistleblowing bezahlen. Theisen war perplex, denn Wochen zuvor hatte sich bereits die Zollfahndung bei ihm gemeldet mit der Bitte, doch die Namen der Whistleblower als mögliche Zeugen mitzuteilen.

Theisen protestiert seit 30 Jahren gegen Atomwaffen und Rüstungsexporte. Dabei testet er die Grenzen des rechtlich Erlaubten aus, indem er nicht nur Flugblätter verteilt, sondern auch mal eine Zufahrt blockiert oder ein Go-in macht. Im Falle der Firma Vet Pharma in Friesoythe bei Cloppenburg haben ein paar Flugblätter gereicht. Darin forderte er Mitarbeiter auf, Interna zu verraten.

Hintergrund war der in verschiedenen Medien geäußerte Verdacht, das Unternehmen könnte ein Gift exportierten, das in den USA bei Hinrichtungen verwendet wird. Das Mittel ist offiziell zur Einschläferung todkranker Hunde gedacht. Es gehört aber auch zu jenen Giften, die in verschiedenen US-Bundesstaaten in einem mehrstufigen Verfahren zum Töten Verurteilter verwendet werden.

Sollte dem so sein, beteiligt sich Vet Pharma nach Theisens Ansicht an schweren Straftaten und verstößt gegen die EU-Folterrichtlinie. Zumindest einen Anfangsverdacht in dieser Richtung hegt offenbar auch das Zollfahndungsamt Hamburg. „Auf Umwegen haben wir von Ihrem ‚Aufruf zum Whistle­blowing‘ erfahren“, schrieb ein Zollfahnder. „Wir bitten Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen, sobald ihnen eine Person bekannt ist, die möglicherweise sachdienliche Hinweise als Zeuge geben kann.“

Die Zollfahnder seien im Auftrag der gleichen Staatsanwaltschaft – Oldenburg – tätig, die auch den Strafbefehl gegen ihn erwirkt hätten, wundert sich Theisen. „Ich dachte, dass die Staatsanwaltschaft das einstellen würde“, sagt Theisen. Zumindest habe er erwartet, dass sich die Zollfahndung mit der Staatsanwaltschaft bespricht.

Die Strafe soll Theisen bezahlen, weil ihm die Stadt Friesoythe das Verteilen der Flugblätter verboten hatte. Darin werde zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aufgerufen. „Ihre Tat wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn sich herausstellen sollte, dass Ihre Vorwürfe gegen die Vet Pharma Friesoythe zutreffen sollten“, schrieb das Gericht. Der Hamburger Zoll hat sich zu dem Vorgang auf Anfrage bisher nicht geäußert. Gernot Knödler

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