: Vorwürfe nach Abschiebung
Flüchtlingsrat berichtet von Gewalt bei einer Sammelabschiebung. Linke und Grüne fordern Aufklärung
Von Frederik Schindler
Der Flüchtlingsrat Berlin erhebt schwere Vorwürfe bezüglich einer Sammelabschiebung, die am 6. Juni von Schönefeld nach Madrid stattfand. Betroffene hätten von zwangsweiser Verabreichung sedierender Medikamente, Fesselung, gewaltsamer Trennung von Familien und Schlägen durch die Polizei berichtet.
Die Abschiebung von 90 Asylsuchenden aus dem gesamten Bundesgebiet war von der Berliner Ausländerbehörde organisiert worden. Das wurde durch die Antworten auf parlamentarische Anfragen der Berliner Grünen-Abgeordneten Bettina Jarasch und der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke bekannt. 83 Bundespolizisten und vier Ärzte und Sanitäter wurden von der Behörde für die Abschiebung beauftragt.
Abgeschobene berichteten laut Flüchtlingsrat unter anderem, dass einem geistig behinderten Mann gegen dessen Willen und in Abwesenheit des gesetzlichen Betreuers ein sedierendes Medikament verabreicht wurde. Auch soll eine Frau mit mehreren Kleinkindern ohne ihren Mann abgeschoben und gefesselt worden seien. Im Flugzeug seien Flüchtlinge geschlagen worden, die sich nicht hinsetzen wollten.
Die der Ausländerbehörde vorstehende Innenverwaltung widerspricht den Vorwürfen teilweise. „Der Polizeiärztliche Dienst verabreicht von sich aus keine sedierenden Medikamente. Sollten Medikamente verabreicht werden, geschieht das auf Anforderung des Patienten“, sagte eine Sprecherin zur taz. Dass es in drei Fällen zur Trennung von Familien gekommen sei, stimme – die Zuständigkeiten dafür lägen allerdings bei Behörden anderer Bundesländer. Die Gewaltvorwürfe gegen die Polizei könnten „nicht bestätigt werden“.
„Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versuchen Behörden mit allen Mitteln, Asylsuchende außer Landes zu schaffen, und lassen dabei jede Menschlichkeit außer Acht“, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat. Sie fordert eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle. Auch die Berliner Linkspartei fordert den Innensenator auf, für Aufklärung zu sorgen. „Der Ausländerbehörde scheint egal zu sein, was im Koalitionsvertrag steht. Sollte das so sein, kann sich der Innensenator offenbar nicht gegen die Ausländerbehörde durchsetzen“, sagt die Landesvorsitzende Katina Schubert zur taz.
Sollten die Vorwürfe sich als richtig erweisen, müssten sie im Koalitionsausschuss thematisiert werden. „Die Trennung von Familien bei Abschiebungen widerspricht dem Koalitionsvertrag, die Fesselung und Sedierung von Geflüchteten widersprechen dem Geist unserer gemeinsamen Regierungsgrundlage“, so Schubert. Bettina Jarasch forderte, die unabhängige Abschiebungsbeobachterin in den Innenausschuss einzuladen.
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