: Vorn die Vicky
Viktoria Rebensburg ist schon wieder gut in Form, der Rest des deutschen Teams fährt beim Riesenslalom auf dem Gletscher in Sölden aber hinterher
Aus Sölden Elisabeth Schlammerl
Der Ausflug dauerte nicht sehr lange. Als es hell wurde, ging es für die Skirennläufer gestern hinauf auf den Gletscher. Aber keine zwei Stunden später waren sie wieder im Hotel. Der Schneefall über Nacht war zu üppig. Wie im vergangenen Jahr musste der Riesenslalom der Männer abgesagt werden. Felix Neureuther, der sich erst am Tag zuvor für einen Start entschieden hatte, packte aber nicht als Erstes seine Sachen zusammen, sondern begab sich noch aufs Ergometer. Allerdings war nicht sicher, ob vor allem aus trainingsspezifischen Gründen oder einfach nur für ein kleines Video, das er in den sozialen Medien verbreitete und darin die Absage des Riesenslaloms am Sonntag lustig verpackte.
Viktoria Rebensburg war da schon wieder weg, sie hatte Sölden noch am Samstagabend bei Schneetreiben verlassen. Zuvor durfte – oder in diesem Fall vielleicht eher musste – sie noch zur Siegerehrung der besten sechs Athletinnen des Riesenslaloms ein paar Stunden zuvor. Es war deshalb eher Pflicht als Kür, weil sie anders als im Jahr zuvor nicht auf dem Siegerpodest stand, sondern daneben. Die 29-Jährige vom Tegernsee verpasste das Stockerl beim Sieg von Tessa Worley aus Frankreich um fünf Hundertstelsekunden, wurde Vierte und musste das rote Trikot der Riesenslalom-Besten abgeben. „Klar, das tut ein bisschen weh“, sagte Rebensburg, „aber das hole ich mir zurück.“ Die erste Chance bietet sich dafür Ende November in Killington.
Der Auftakt in Sölden ist ja stets nur eine Standortbestimmung für die Athleten nach dem langen Sommer. Es geht darum, mögliche Versäumnisse in der Vorbereitung zu erkennen und in den kommenden vier Wochen zu beheben. Rebensburg weiß seit Samstag, dass sie „ im Sommer nichts verlernt hat. Es passt vieles sehr gut.“ Auf die anderen deutschen Starterinnen trifft dies nicht zu. Lena Dürr, Veronique Hronek und Andrea Filser konnten sich nicht für den zweiten Durchgang qualifizieren. Dass Rebensburg wieder einmal die einzige Deutsche im Finale war, sorgte bei Sportchef Wolfgang Maier für Ernüchterung. „Ich weiß auch nicht, was man mit denen machen muss, damit die mal ein bisschen mehr Courage zeigen“, sagte er.
Rebensburg trog das Gefühl, das sie mit nach Sölden gebracht hatte, nicht. Der Sommer war fast perfekt gelaufen. „Seit Langem konnten wir alles so durchziehen, wie wir es geplant hatten. Von vorne bis hinten“, erzählte sie. Weder Rücken noch Knie zwickten, wie in den vergangenen Jahren immer wieder mal, keine Verletzung hinderte sie am Training. Die anhaltend warmen Temperaturen, die die Schneedepots auf den Gletschern dahinschmelzen ließen, störten den Plan nur in den vergangenen Wochen ein wenig.
Seit Jürgen Graller vor einem guten Jahr die Position des Frauen-Cheftrainers im Deutschen Skiverband übernommen hat, wurde der besten Athletin in der Mannschaft eine noch größere Ausnahmestellung eingeräumt. Während Graller im Frühjahr ein paar Trainerpositionen in der Technik- und Speedgruppe „mit kreativen Köpfen“, wie er sagt, neu besetzt hat, blieb beim Team Rebensburg alles beim Alten, fast alles. „Man muss sich immer die Frage stellen, was können wir besser machen, um den kleinen Schritt voraus zu bleiben.“ Es waren Kleinigkeiten, die verändert wurden: Regeneration optimiert, das Konditionstraining angepasst und der Ernährung noch mehr Beachtung geschenkt. Auf Schnee, sagt Graller, habe man variantenreicher trainiert, um auf verschiedene Situationen besser reagieren zu können“.
Die vergangene Saison hatte ja für Rebensburg nicht nur schöne Momente, wie den Gewinn der Riesenslalomkugel, sondern haften blieb am Ende auch Olympia, in der Öffentlichkeit und bei ihr selbst. Der vierte Platz im Riesenslalom in Pyeongchang „hat mich beschäftigt“, gibt Rebensburg zu. Und motiviert, es in diesem Winter besser zu machen – bei der Weltmeisterschaft in Åre im kommenden Februar.
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