Blicke auf eine herumgeschubste Region

Die Kämpfe der Frauen und Porträts charismatischer Dissidenten: Am Mittwoch beginnt das 9. Kurdische Filmfestival in Hamburg

Von Yasemin Fusco

Die Kurd*innen sind ein Volk ohne einen eigenen Staat; sie leben aufgeteilt auf vier Länder: Türkei, Syrien, Irak und Iran. Die meisten von ihnen sind heute türkische Staatsangehörige: Etwa 15 Millionen Kurd*innen leben in der Türkei – als ethnische Minderheit anerkannt sind sie seitens der Regierung in Ankara aber nicht.

Im Irak sind sie einen oder sogar mehrere Schritte weiter: Im Norden des Landes, fanden in diesem Jahr zum ersten Mal Parlamentswahlen statt, seit die Kurd*innen in der Region Erbil per Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt hatten. Im Iran und Syrien sind sie wiederum, wie in der Türkei, ein Volk ohne eigene Strukturen.

Die Menschen in der westlichen Welt kennen die Kurd*innen einerseits als Verbündete gegen islamistischen Terror, insbesondere im Irak und Syrien. In Deutschland gelten die Peschmerga, der bewaffnete Arm der irakischen Kurd*innen, als verlässlicher Partner gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) – bis heute liefert Deutschland ihnen Waffen und bildet auch Peschmerga aus. Andererseits gelten etliche kurdische Organisationen, allen voran die PKK, auch hierzulande als terroristisch: Ein falsches Transparent auf der Demo kann strafbar sein.

Facetten jenseits der großen Politik will das Kurdische Filmfestival in Hamburg dem deutschen Kurdistan-Bild hinzufügen. Das Festival begann im Jahr 2005, als kurdische Filmstudierende sich dazu entschlossen, auf die Situation ihrer Heimatländer aufmerksam zu machen. Yasir Irmak, einer der damaligen Initiatoren, sagt, dass trotz der Unterdrückung der kurdischen Sprachen und Kultur bis heute Filme entstünden, die es Wert seien, gezeigt zu werden.

Die neunte Ausgabe beginnt am kommenden Mittwoch und dauert dann bis zum 4. November: Regisseur*innen, kurdische wie nicht-kurdische, zeigen insgesamt sieben Arbeiten, von Dokumentarfilmen bis Spielfilm-Familiendramen. Zum Auftakt würdigt das Festival den Filmemacher und Journalisten Mehmet Aksoy mit einer Vorführung von dessen 22-Minuten-Familiendrama „Panfilo“ (2014). Aksoy kam vergangenes Jahr bei einem Hinterhalt des IS im nordsyrischen Raqqa ums Leben.

Ebenfalls am Eröffnungsabend ist „Girls of the Sun“ zu sehen – als Deutschland-Premiere: Eva Hussons 2018 in Cannes für die Goldene Palme nominierter Spielfilm handelt von einer Kriegsreporterin, die im Nahen Osten die junge Anwältin und Widerstandskämpferin Bahar kennen lernt. Diese plant, zusammen mit anderen Kämpferinnen ein von Islamisten eingenommenes Dorf zu befreien. Regisseurin Husson ist Französin ohne kurdische Familiengeschichte. Zu ihrem Film inspirierten sie die Massaker des IS an den Jesiden im Jahr 2014: Besonders die Frauen leisteten damals Widerstand gegen die Miliz.

In der Türkei, ist „Die Legende vom Hässlichen König“ angesiedelt: Der Dokumentarfilm von Hüseyin Tabak handelt vom Leben und Wirken des Schauspielers, Regisseurs und Widerstandskämpfers Yilmaz Güney (1937–1984), der 1982 für seinen Spielfilm „Yol – der Weg“ die Goldene Palme erhielt. Ein Jahr danach versuchte Yilmaz nach Deutschland einzureisen, was ihm verweigert wurde: Seine Anwesenheit hätte aus Sicht der Behörden dazu führen können, unterschiedliche türkische Gruppierungen im Land gegen einander aufzubringen, also Unruhe in der Bundesrepublik zu schüren.

31. 10. bis 4. 11., Hamburg, Studio und 3001

Alle Infos: https://hkff.de