Markus Völker über die Zukunft der DFB-Auswahl: Ouvertüre zum Umbruch
Schon richtig: Dem deutschen Fußballnationalteam droht der Abstieg aus der A-Klasse der Nations League, und sechs Niederlagen in einem Jahr hat es seit der Erfindung des Lederballes auch noch nicht für ein DFB-Team gegeben. Aber der Untergang des fußballerischen Abendlandes steht nicht bevor, weil Jogi Löw im Spiel gegen Frankreich am Dienstag bewiesen hat, dass er ein biegsamer Trainer ist.
Der Bundestrainer konnte sich zwar erst unter massiven medialen Drohungen dazu durchringen, die Jungen auf den Platz zu lassen, also Leroy Sané, Serge Gnabry oder Thilo Kehrer, aber immerhin: Der Jogi hat sich locker gemacht. Hinten stand plötzlich eine Dreierkette und vorn ein Trio, das um sein Leben zu sprinten schien. Jetzt wurden Pässe wie zu besten Zeiten in die Tiefe des Raumes gespielt, und Weltmeister Frankreich wunderte sich, wie viel Spaß die Deutschen am Spiel hatten.
Verfiel Fußball-Deutschland nach dem matten Kick gegen Holland in einen Zustand kollektiver Hoffnungslosigkeit, so ist jetzt wieder etwas Fantasie vorhanden, eine vage Ahnung davon, wie sich diese junge Elf entwickeln könnte. Wenn Löw sich wieder als Projektentwickler begreift und nicht vor dem Stamm der etablierten Nationalspieler einknickt, dann könnten wir im Pariser Stade de France womöglich den Beginn von etwas Neuem gesehen haben, eine neunzigminütige Ouvertüre zum Thema „Umbruch“.
Dass Löw erst jetzt den harten Schnitt einzuleiten scheint, ist natürlich ein Problem. Wenn er konsequent und ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte er der neuen Generation schon nach dem Gewinn des Confed Cups 2017 die Verantwortung überlassen müssen. Aber Löw, der stets auf Ausgleich aus ist und die Balance sucht, wollte das nicht, weil er der Meinung war, die Weltmeister spielten immer noch weltmeisterlich.
Jetzt muss er sich daran messen lassen, ob er die notwendige harte Wende wirklich vollzieht.
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