heute in hamburg: „Das Ziel sollte sein: mehr Stadt in der Stadt“
Kristina Sassenscheidt 41, Architektin, war Sprecherin des Denkmalschutzamtes. Seit 2016 ist sie Vorsitzende des Denkmalvereins Hamburg.
Interview Hannah Maatallaoui
taz: Frau Sassenscheidt, was ist in den nächsten zehn Jahren die größte Herausforderung in der Stadtentwicklung?
Kristina Sassenscheidt: Eine der größten Herausforderungen wird es sein, ausreichend günstigen Wohnraum zu schaffen und trotzdem keinen weiteren Flächenfraß mehr zu produzieren. Aktuell verbraucht Hamburg etwa fünfmal mehr Fläche als eigentlich vom Bund vorgegeben ist. Das bundesweite Ziel ab 2050 ist sogar, überhaupt keine neuen Flächen mehr zu verbrauchen. Das lässt sich schwer mit dem politischen Willen des Senats vereinbaren, pro Jahr 10.000 neue Wohnungen zu bauen.
Wie weit lässt sich eine Stadt planen?
Flächennutzungspläne können städtebauliche Entwicklungen über mehr als zehn Jahre im Voraus darstellen und damit eine wichtige Richtung vorgeben. Allerdings dürfen sie dann nicht immer wieder durch neue Bebauungspläne geändert werden, und sie müssen auch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen abbilden.
Klar ist, dass mehr Leute mehr Wohnungen brauchen.
Diskussion „Unsere wachsende Stadt – wohin entwickelt sich Hamburg“, 19 Uhr Oberhafenquatier, Stockmeyerstr. 43
Der individuelle Bedarf an Wohnraum hat sich in den letzten 50 Jahren in Hamburg mehr als verdoppelt und liegt inzwischen bei über 40 Quadratmeter pro Kopf. Da stellt sich schon die Frage, ob man allein mit Neubau jemals hinterherkommt. Es ist bekannt, dass Einkommenszuwächse bevorzugt in mehr Wohnfläche investiert werden. Hier lohnt vielleicht ein Blick in Städte wie Kopenhagen, wo es auf verhältnismäßig wenig Platz viel Wohnqualität gibt. Ein anderes Problem ist, dass die Menschen durch steigende Mieten unbeweglicher werden und nicht mehr in kleinere Wohnungen umziehen, auch wenn sie eigentlich weniger Platz brauchen, wie wenn etwa die Kinder ausgezogen sind.
Welche Lösungen gibt es?
Das wollen wir heute Abend gemeinsam herausfinden. Hamburg ist ja mit dieser Herausforderung nicht allein –europaweit ziehen die Menschen in die Metropolen, und der städtische Raum wird knapper. Insofern kann man sich aber auch international viele Lösungsansätze abgucken, wie beispielsweise die systematische Umwidmung von Park- und Verkehrsflächen oder das Stapeln von Nutzungen. Dafür braucht Hamburg natürlich ein klares Leitbild, in dem Neubaupläne und Flächenpotentiale miteinander in einem realistischen Verhältnis stehen.
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