: CDU ohne Plan A
Personalnot in der Hamburger CDU: Nach der Absage von Aygül Özkan ist die Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl offen. Eine Lösung aber ist nicht Sicht
Von Sven-Michael Veit
Hamburgs CDU hat ein Personalproblem. Das macht die Absage von Aygül Özkan, der designierten Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl im Februar 2020, am Wochenende deutlich. Die 47-Jährige hatte erklärt, aus gesundheitlichen Gründen für die Bewerbung nicht mehr zur Verfügung zu stehen. „Es gibt Momente im Leben, in denen man innehält, Ereignisse und bisherige Pläne überdenkt und neu bewertet,“ schrieb Özkan an Parteichef Roland Heintze und Fraktionschef André Trepoll.
Die beiden hatten am 19. August bekannt gegeben, dass die ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete und frühere Sozialministerin in Niedersachsen Bürgermeister-Kandidatin der CDU für die Wahl 2020 werden solle. Und das, obwohl die in Hamburg geborene Juristin mit türkischen Wurzeln vier Tage zuvor von ihrer schweren Erkrankung erfahren und den beiden Spitzenmännern mitgeteilt hatte, dass sie „die tolle Herausforderung im Moment leider nicht annehmen kann“.
Heintze und Trepoll hielten dennoch an ihrer Kandidatin fest: „Wir nehmen uns die Zeit, die Aygül Özkan braucht“, erklärten sie. Das kann man als menschlich ehrenwert betrachten, aber auch als Ausdruck von Ratlosigkeit: „Wir haben keinen Plan B“, gestand Heintze.
Und deshalb steht Hamburgs Christenunion nun nach Özkans endgültiger Absage ohne Peilung da. EinE HerausfordererIn für Bürgermeister Peter Tschentscher, dessen Kür als SPD-Spitzenkandidat sicher ist, ist nicht in Sicht. Eineinhalb Jahre vor einer Wahl ist das keine gute Ausgangslage für eine Partei, die auf das Amt des/der RegierungschefIn schielt.
Der Landesvorsitzende Heintze lässt sich als Kandidat für die Europawahl im Mai nächsten Jahres aufstellen. Fraktionschef Trepoll, der als Oppositionsführer in der Bürgerschaft als natürlicher Herausforderer Tschentschers galt, traut sich den Job nicht zu. Mit den Worten, Özkan sei „eine Person, die das besser kann als ich“, hatte er sich im August selbst von der Bewerberliste gestrichen.
Hamburgs CDU befindet sich auf dem Tiefpunkt ihrer Existenz.
Bei der Bürgerschaftswahl 2015 machten nur noch 15,9 Prozent der WählerInnen ihr Kreuzchen bei den Christdemokraten und ihrem Spitzenkandiaten Dietrich Wersich.
Damit wurde der Minusrekord von 2011 mit 21,9 Prozent unter Bürgermeister Christoph Ahlhaus erneut unterboten.
Die „Goldenen Jahre“ unter Bürgermeister Ole von Beust – 2004 absolute Mehrheit mit 47,2 Prozent, 2008 noch 42,6 Prozent – waren damit vorbei.
Den Bürgermeister hatte die CDU zuvor nur von 1953 bis 1957 mit Kurt Sieveking gestellt. Danach regierte 44 Jahre lang bis 2001 die SPD.
Guter Rat ist nun teuer, denn wer auch immer jetzt antritt, muss mit dem Makel kämpfen, nur zweite Wahl zu sein. Der ehemalige Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (59) wird kaum seinen wohldotierten Posten als Chef der deutschen Immobilienunternehmen riskieren. Der 46-Jährige und immer noch jugendlich wirkende Nikolas Hill, Ex-Staatsrat, Ex-Chef der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschaft und jetzt Geschäftsführer der Wirtschaftsberatungsgesellschaft von Alt-Bürgermeister Ole von Beust, ist sicher einer der klügsten Köpfe in Hamburgs CDU – und wird eben darum nicht zur Verfügung stehen.
Die beiden altgedienten Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg und Rüdiger Kruse drängt es nicht nach Hamburg zurück; die langjährige Spitzenfrau in der Bürgerschaft, Karin Prien (53), ist seit 16 Monaten sehr zufrieden mit ihrem Job als Bildungsministerin in Kiel.
In der Bürgerschaftsfraktion drängt sich niemand wirklich auf – höchstens Birgit Stöver. Die Fraktionsvize ist die einzige CDU-Frau auf einer Spitzenposition in Hamburg. Wenn aber die 48-Jährige aus Harburg ebenfalls nicht will, muss die Fahndung wohl über Hamburg hinaus ausgedehnt werden. In der Bundes-CDU sollen ja demnächst ein paar Leute einen neuen Job suchen.
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