: Am Hof des Wütenden
Der Star des investigativen Journalismus über Trump
Bob Woodward: „Furcht. Trump im Weißen Haus“. Rowohlt, Reinbek 2018. 512 Seiten, 22,95 Euro
Von Jan Jekal
Bereits vor seinem Erscheinen machte Bob Woodwards neues Buch über die ersten Monate der Trump-Präsidentschaft Schlagzeilen. In frühen Besprechungen hatten große Publikationen wie die New York Times die saftigsten Passagen aus „Furcht. Trump im Weißen Haus“ schon vorweggenommen: Der Wirtschaftsberater stibitzt brisante Dokumente vom Schreibtisch des Präsidenten, weil der alles reflexartig unterschreibt. Der Verteidigungsminister attestiert ihm die intellektuellen Fähigkeiten eines Fünftklässlers. Der Stabschef bezeichnet ihn als „Idioten“. Es steht also nichts in Woodwards Buch, das man sich nicht denken konnte, aber jetzt weiß man es aus renommierter Quelle, und nicht nur durch den Boulevard-Reporter Michael Wolff, dessen „Feuer und Zorn“ Anfang des Jahres einen ersten Einblick in das Weiße Haus gegeben hat. Wie schon bei diesem für ihn wenig schmeichelhaften Buch schlug die lauteste Werbetrommel wieder Präsident Trump selbst. Kategorisch wies er zurück, ein wütender, inkohärenter Typ zu sein, der zu viel twittert, und zwar in einer Abfolge wütender, inkohärenter Tweets.
Das Weiße Haus, so die wesentliche Erkenntnis aus Woodwards Buch wie aus den anderen Büchern des rasant wachsenden Korpus der Trump-Literatur, ist zurzeit ein dysfunktionaler Ort, der wie der Königshof eines übellaunigen Regenten anmutet. Figuren aus zweiter Reihe haben aufgrund der spektakulären Unfähigkeit des Präsidenten die Politik der US-amerikanischen Exekutive übernommen; es geht diesen ungewählten Gestalten aber mehr um Schadensbegrenzung als darum, eigene Ziele durchzubringen.
Als er davon hörte, dass Woodward ein Buch über ihn veröffentlichen wird, rief Präsident Trump übrigens bei dem Reporter an und fragte, wieso er ihn, den Präsidenten, nicht nach einem Interview gefragt habe. Er habe es ja versucht, beteuerte Woodward, es gab nur kein Durchkommen. Trump lenkte ein: Das könne schon sein, schließlich hätten viele in seinem Camp Angst davor, mit ihm zu sprechen. Was zu beweisen war!
Seit Bush senior hat es Tradition, dass Woodward, langjähriger Reporter der Washington Post, ein vernichtendes Buch über den amtierenden Präsidenten veröffentlicht. An seinem typischen Stil, in dem auch „Furcht. Trump im Weißen Haus“ verfasst ist, lässt sich durchaus Anstoß nehmen. Woodward schreibt in einer allwissenden Erzählstimme und impliziert so die alternativlose Wahrhaftigkeit seiner szenischen Darstellungen; er stellt nicht gegensätzliche Aussagen gegenüber oder legt die Quellenlage offen, sondern schreibt seine Sachbücher wie geradlinig geplottete Polit-Thriller. Dieser Simulation von Eindeutigkeit liegt eine nicht unproblematische Arbeitsmethode zugrunde: „Deep Information“ nennt Woodward es, wenn er jeder seiner Quellen Anonymität versichert, unter der Bedingung, jede ihm mitgeteilte Information verwenden zu dürfen. Es bleibt Woodwards Geheimnis, auf welcher Grundlage genau er Situationen erzählt.
Weil es sich bei ihm um den wohl größten Star des investigativen Journalismus handelt, wird diese Arbeitsweise kaum in Frage gestellt. Seit Woodward mit seinem Kollegen Carl Bernstein die Watergate-Affäre ans Licht brachte und Robert Redford ihn in „Die Unbestechlichen“ verkörperte, ist er eine Ikone. Seine Weigerung einer Kontextualisierung kann man jedoch frustrierend finden. Er erklärt kaum, analysiert nicht, enthält sich einer Bewertung. Er schreibt auf, was ihm gesagt wurde. Christopher Hitchens nannte ihn den „Stenographen der Mächtigen“ und Joan Didion stichelte, seine Bücher ließen „jegliche Hirnaktivität“ vermissen. Das Lesen seiner Bücher ist in erster Linie eine Vertrauensfrage.
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