: Die traditionellen Medien sind selbst schuld
In Malaysia sind die sozialen Medien auch deshalb beliebt, weil die traditionellen Medien zu Lautsprechern unter Kontrolle der Regierung wurden
Von Liow Szexian
„Eine Zeitung musste schon wegen der sozialen Medien schließen“ lautet eine gängige Aussage, wenn es um die Krise traditioneller Medien geht. Das gilt auch für Malaysia. Für die dortige Medienindustrie war das Jahr 2009 der Wendepunkt. Bei Malaysias größter Zeitung, Sin Chew Daily, der zugleich größten chinesischsprachigen Zeitung außerhalb der Volksrepublik China, begann ein dramatischer Auflagenrückgang. Für viele zeigte dies, dass die sozialen die traditionellen Medien ersetzen.
Denn die Verbreitung etwa von Facebook hat das Leseverhalten der Menschen und ihre Einstellung gegenüber den traditionellen Medien verändert. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn von 2008 bis 2012 hat sich auch Malaysias Politik dramatisch verändert. Vor den Parlamentswahlen 2008 war die Stimmung eine ganz andere als bei vorherigen Urnengängen. Die Korruption und Vetternwirtschaft der Regierung und die Wirtschaftskrise führten zu großer Unzufriedenheit der Bevölkerung. Die damals von Anwar Ibrahim geführte Opposition kam erstmals auf 49 Prozent der Stimmen und stellte fortan in 5 der 13 Bundesstaaten die Regierung.
Viele machen für die Schwierigkeiten der Zeitungen die sozialen Medien verantwortlich. Aber sie übersehen die politischen Gründe und das traditionelle Geschäftsmodell. Die mit den sozialen Medien verbundene Meinungsfreiheit führte zu einem kritischeren Verhältnis der Menschen zu den traditionellen Medien. Denn die waren immer mehr zu Lautsprechern der Regierungskoalition geworden, die entsprechende Gesetze dafür missbrauchte.
Die Menschen suchen verzweifelt nach Wahrheit und Objektivität. Aber in den sozialen Medien sind gefälschte Informationen und Videos weit verbreitet. Daher suchen die Menschen die Hilfe der Medien, die transparent vorgehen und beim Faktencheck helfen sollten.
Das Wachstum der sozialen Medien ließ zwar die Leserschaft der traditionellen Printmedien schrumpfen, ermöglicht aber zugleich eine größere Vielfalt. Auch sind immer mehr reine Onlinemedien wie Malaysiakini, Free Malaysia today und Malay Mail Online entstanden. Diese werden weniger kontrolliert, was viele Leser dorthin hat wechseln lassen.
Mitverantwortlich für den drohenden Tod der traditionellen Medien in Malaysia ist auch ihr unverändertes Geschäftsmodell. Sie haben Schwierigkeiten, sich im gleichen Tempo zu verändern wie die Technologie und das Verhalten der Mediennutzer, weil sie mit der Macht der sechs Jahrzehnte lang herrschenden Regierungskoalition verflochten sind. Dabei gibt es sogar einige traditionelle Medien, die sich erfolgreich reformiert haben und durch die Einführung von E-Paper und Onlineausgaben weiter Geschäfte machen.
Die sozialen Medien sind wie Wasser: Es ist eine Wohltat in der Wüste, aber der Ertrinkende verflucht es.
Liow Szexian, 24, ist Redakteurin der chinesischen Ausgabe der Onlinenachrichtenseite Malaysiakini in Kuala Lumpur.
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