berliner szenen: Habt ihr vielleicht so gemacht
Montags ist jetzt immer „Session“. Da trifft sich das Kind, das sich mit seinen zwölf Jahren schon „krass jugendlich“ fühlt, mit Kumpels aus der Schule. Sie schmeißen ihr Taschengeld zusammen und kaufen sich Sachen, die sie zu Hause nicht konsumieren dürfen: Chips, klebrige Süßigkeiten, zuckrige Limo und Club Mate. Man trifft sich auf dem Dach eines verfallenen Schuppens in der Nachbarschaft. Ich habe mich da bislang mit wertenden Aussagen sehr zurückgehalten. Solange das Kind die Kassenbons in der Küche rumliegen lässt und ich weiß, was sie kaufen, beunruhigen mich die „Sessions“ nicht weiter.
Doch jetzt im Herbst wird es auf dem Schuppen ungemütlich und man muss sich neu orientieren. Pech für uns, dass wir die einzigen Eltern zu sein scheinen, die nachmittags nicht da sind. Beim Nachhausekommen falle ich über einen riesigen Schuhhaufen. „Session“, sagt das Kind, das mir im Flur entgegenkommt. Sie hatten („Achtung, um sechs kommt meine Mutter von der Arbeit!“) schon den Staubsauger hin- und hergeschoben, die Büchsen in die dafür vorgesehene Kiste gestellt und unsere besten Servierschüsseln notdürftig von Taco-Dip-Resten gereinigt.
Als die Jungs weg sind, fällt mein Blick auf die Getränkebüchsen und ich sage zum Kind: „Energy-Drinks dürft ihr doch noch gar nicht kaufen. Habt ihr die geklaut?“ Das Kind starrt mich fassungslos an. „Mama, so was habt ihr vielleicht früher gemacht!“ Er ist aufgebracht, dass ich ihm das zutraue, und ich fühle mich schlecht. Er erklärt: „Die Verkäuferin hat gefragt, ob wir denn schon zwölf seien. Und da hat Georg ihr sofort seinen Schülerausweis gezeigt. Die wusste nicht, dass man das erst ab sechzehn kaufen darf.“ Ein Blick ins Internet verrät mir: Es gibt gar keine allgemeine Altersbeschränkung für diese Getränke. Gaby Coldewey
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