piwik no script img

Mitte will Zuständigkeiten für Geflüchtete neu regeln

Der Bezirk, in dem die Menschen wohnen, soll auch für Sozialleistungen zuständig sein, fordert Bezirksbürgermeister von Dassel (Grüne) in einem Brief an den Senat. Bisher gilt das Prinzip des Geburtsmonats. Das belaste die Bezirke ungleich

Von Marina Mai

Mittes grüner Bürgermeister Stephan von Dassel fordert die Landesregierung in einem offenen Brief auf, die Zuständigkeit der Bezirke für anerkannte Asylberechtigte zu ändern. Für die Gewährung von Sozialleistungen, für die Arbeitsvermittlung und für Jugendhilfemaßnahmen soll in Zukunft der Bezirk zuständig werden, in dem der Flüchtling wohnt. Bisher regelt der Geburtsmonat des ältesten Familienmitglieds, welcher Bezirk zuständig ist.

Für Flüchtlinge, aber auch für Behördenmitarbeiter, bedeutet das oft viel Umstand: Wenn zum Beispiel das Jugendamt Reinickendorf eine Hilfemaßnahme für einen Jugendlichen aus Lichtenberg finden muss, kennt es nicht unbedingt die Schulen, Kitas und Hilfestrukturen vor Ort. Bei Gesundheitsproblemen ist hingegen das Gesundheitsamt des Bezirks zuständig, in dem man tatsächlich wohnt. Da fällt es Flüchtlingen naturgemäß schwer, den Überblick zu behalten. Und Behörden erhalten schwerer die Daten, die sie brauchen.

Flüchtlingsheime gelten per Gesetz nicht als Wohnung sondern als Obdachloseneinrichtung, darum ergibt sich im Sozialrecht gesetzlich nicht zwingend die Zuständigkeit des Wohnbezirkes. Berlin hatte sich in den 1980er Jahren für das Geburtsortsprinzip entschieden, damit nicht die Bezirke, in denen sich viele Flüchtlingsheime befinden, durch viele Sozialhilfegelder bestraft werden.

Geburtstag: 1. Januar

Inzwischen hat sich die Situation auf zweierlei Art geändert: Erstens bleiben Flüchtlinge wegen des Wohnungsmangels viel länger im Wohnheim wohnen. Zweitens kommen immer mehr Geflüchtete aus Regionen, in denen keine Geburtsdaten bekannt sind. Deutsche Behörden setzen in diesen Fällen das fiktive Geburtsdatum 1. Januar ein. Daraus ergibt sich in Berlin eine Zuständigkeit für den Bezirk Mitte. Rund jeder dritte anerkannte Asylberechtigte erhält in Berlin seine Sozialleistungen von Mitte. Kein Wunder also, dass ausgerechnet Mitte hier eine Änderung anmahnt.

Im Frühsommer hatte der Rat der Bürgermeister auf Antrag von Mitte beschlossen, zumindest die Tempohomes und die MUF-Unterkünfte zu einer regulären Adresse zu erklären, aus der sich dann die Zuständigkeit des wirklichen Wohnbezirkes ergibt. Tempohomes sind für drei Jahre als Unterkunft angelegt, MUFs, also neugebaute Häuser für Flüchtlinge in Fertigbauweise, dauerhaft.

Von Dassel kritisiert, dass der Beschluss durch die Landesregierung nicht umgesetzt wurde. Er fordert Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) auf, „dem unwürdigen Chaos bei der Zuständigkeit für geflüchtete Menschen ein Ende zu setzen“. Deren Sprecherin Regina Kneiding sagt der taz: „Wir kommentieren weder offene Briefe noch einen unabgestimmten Arbeitsstand.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen