: Bremen bleibt liegen
Jung, frisch und ein bisschen naiv will die Aufstehen-Bewegung sein. In Bremen sind die Initiatoren meist alte Bekannte und überwiegend männlich
VonGareth Joswig
800 Bremer*innen beteiligen sich nach Auskunft des Bündnisses „Aufstehen“ in der von Sahra Wagenknecht (Die Linke) gegründeten „linken Sammlungsbewegung“. Eine erste eher allgemeinplätzige Mitteilung schickten die Bremer Aufsteher*innen vergangenen Dienstag. Sie ist unterschrieben von mehreren ehemals grün, links oder anderweitig politisch Bewegten. Eine Auftaktveranstaltung der von oben gegründeten Bewegung soll am 15. Oktober um 19 Uhr im Alten Fundamt stattfinden.
Vor allem die Zahl von 800 Unterstützer*innen scheint auf den ersten Blick groß. Zum Vergleich: Der Bremer Landesverband der Grünen hat 731 Mitglieder, Die Linke 531 und die SPD 4.249 Mitglieder in Bremen. Tatsächlich ist der Begriff laut Definition der Bewegung auch sehr weit gefasst: Jede Person, die sich bis Mitte August online mit zwei Mausklicks für den Newsletter angemeldet hat, galt schon als Gründungsmitglied. Inzwischen kann man auf der Website auswählen, ob man tatsächlich mitmachen oder lediglich Informationen bekommen will. Differenziert wird das in der Außendarstellung nicht: Da wird weiterhin von bundesweit 150.000 Unterstützer*innen gesprochen.
Ab 15. Oktober soll der Schritt vom im Sitzen abgegebenen Klick zum Real-Life-Treffen in Bremen stattfinden. Ähnliche Treffen der Sammlungsbewegung gab es schon in anderen größeren Städten wie in Berlin, wo rund 200 Personen kamen, und der Sound an russlandfreundliche Teile der Linkspartei erinnerte.
Der Initiatorenkreis von „#aufstehen“ Bremen liest sich denn auch wie ein Who-is-Who älterer politisch Engagierter der vergangenen Jahrzehnte in Bremen: Verschiedene Leute vom Friedensforum machen mit wie etwa Ekkehard Lentz und Sönke Hundt, der auch Mitglied in der Linkspartei ist. Aber auch Alt-Promis wie Walter Ruffler, einst Bürgerschaftsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Horst Isola, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD, machen mit.
Sönke Hundt, Erst-Aufsteher
Als Ansprechpartner von Aufstehen in Bremen fungiert zunächst der 80-jährige und emeritierte Wirtschaftsprofessor Sönke Hundt. Er rechnet fürs erste Treffen mit 100 bis 150 Leuten. Es werde jemand aus Berlin kommen, um die digitalen Mitmach-Tools zu erklären. Dass die Bewegung auf Sahra Wagenknecht zugespitzt und von oben gegründet wurde, ist für Hundt kein Problem: „Irgendwoher muss der Initiativ-Funke ja kommen.“ Wie bei Jeremy Corbyn in Großbritannien oder Bernie Sanders in den USA seien Wagenknecht und Oskar Lafontaine als Galionsfiguren sehr wichtig.
„Sie stehen für Friedenspolitik im Nahen Osten und Entspannungspolitik in Russland“, sagt Hundt, der auch die Website des Nahost-Forums in Bremen betreibt. Er hatte 2013 auf der pro-palästinensischen Veranstaltung „Antisemitismus-Vorwurf als Waffe“ moderiert, bei der jüdische Besucher*innen ausgeschlossen wurden, woraufhin sich der Bremer Landesverband der Linken distanzierte. „Dieser Komplex hat aber erst mal nichts mit Aufstehen zu tun“, sagt Hundt. Es könne aber gut sein, dass unter anderem dieses Thema bei der Gründungsveranstaltung kontrovers diskutiert werde.
Frauen sind gegenüber den neun Männern im Gründungsaufruf nur drei dabei: Eine davon ist die parteilose Lehrerin Melitta Gerich. Die 60-Jährige freue sich, wenn Aufstehen endlich zur richtigen Bewegung wird. „Es gibt so viele zivile Bewegungen wie die Seebrücken-Bewegung, Bündnisse gegen rechts, zum Erhalt des Hambacher Forsts – aber das sind alles Ein-Punkt-Bewegungen.“ Man brauche eine Sammlungsbewegung mit einem Minimalkonsens auf Basis eines humanistischen Menschenbildes und Kapitalismuskritik. Sie hoffe, dass beim richtigen Aufstehen am 15. Oktober auch engagierte, junge Leute teilnehmen.
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