piwik no script img

Arbeit, Arbeit, immer nur Arbeit

Mit den Videos der Schau „The Inner Office“ lotet Alina Schmuch im Künstlerhaus aus, wie weit die Ideologie des Wachstums in Köpfe, Persönlichkeit und Privatleben der Arbeitskräfte eindringt und sie sich zurecht macht

Von Radek Krolczyk

Man weiß schon sehr bald nach Betreten der Galerie des Künstlerhauses, dass man sich hier nicht wohlfühlen wird. Das Licht ist stark gedämpft, es riecht nach frisch zurecht geschnittenem Teppichboden, die Atmosphäre ist insgesamt steril.

Ja, gut, auf dem Boden liegen riesige Kissen herum, auf denen es vielleicht möglich wäre, etwas zu schlafen. Aber selbst Schlaf ist funktional, erfährt man hier, in Alina Schmuchs Ausstellung, die das Problem bereits im Titel trägt: „The Inner Office“.

Schmuchs „inneres Büro“, meint eine innerliche Ökonomie der eigenen Person, die bis hinein in den Schlaf alle Lebensbereiche umfasst. Das lässt sich in ihren Videoarbeiten genau beobachten. Diese laufen einigermaßen monoton in der Ausstellung des Künstlerhauses im Loop vor sich hin. Zu sehen gibt es gar nicht mal so viel, zumeist redende Personen in Seminarräumen und Großraumbüros. Geredet wird außerordentlich viel, über Arbeit, Kreativität und natürlich auch über Selbstoptimierung.Gezielter und wohl dosierter Schlaf gehört hier genauso dazu, wie Yoga oder gesunde Ernährung. „Die Wachstumsideologie wird nicht nur auf das Unternehmen beschränkt, sondern auf die Persönlichkeit des Arbeitnehmers erweitert“, heißt es im ausstellungsbegleitenden Text.

Vorher erfährt man die Ökonomisierung des eigenen Daseins bereits am Ausstellungsraum selbst, der den Besucher nach einer Weile erschöpft und müde wieder entlässt. Ganz so, als wäre er ihre Arbeitsstelle. Adornos Ausspruch, Fun sei ein Stahlbad, greift nur zum Teil. Denn Fun gibt es nicht, stattdessen Stahlbad pur.

Schmuch hat die Galerie zu einem modernen Büro umgestaltet, mit Entspannungsmöbeln und Monitoren. Nicht als Theaterrequisite, eher dezent, aber wirksam. Die Beschäftigung mit der ästhetisch-politischen Bedeutung von Raum findet sich in Schmuchs Werk immer wieder. Ästhetische Erfahrung schließlich, das weiß sie, kann sehr viel umfassender sein, als es das bloße Sehen wäre. Den fürchterlichen Teppich muss man riechen, den Raum insgesamt muss man fühlen.

Anstatt Beglückung bietet das Künstlerhaus Anstrengung. Statt Rilkes schönem, aber pathetischem Satz, Kunst wasche den Staub des Alltags von der Seele, wird hier reichlich Alltagsstaub eingefangen.

Die 1987 in Münster geborene Künstlerin verfolgt eine Arbeitsweise, die weniger eine andere Welt vorstellt, als die Konfrontation mit der bestehenden sucht. Hier tut sich keine utopische Alternative auf, dafür eine direkte körperliche, ästhetische und intellektuelle Auseinandersetzung mit dem bestehenden Übel.

Auf den Screens, vor denen man im Sitzkissen versinkt, geht es immer nur um Arbeit. Man sieht kreativen jungen Menschen bei Meetings, hört dynamischen Selbstständigen bei Motivationsreden zu. Die Redner erinnern an Prediger, die Zuhörerschaft an gläubige Gemeinden.

Auf einem der Screens sieht man eine dynamisch auftretende, aber schrecklich müde wirkende Frau einer Gruppe Bereitwilliger von den Vorzügen der Selbstständigkeit berichten. Sie wirbt als Opfer prekärer Arbeitsverhältnisse für prekäre Arbeitsverhältnisse. Zu ahnen ist, dass dieser Workshop, den man hier zu sehen bekommt, Teil ihres Erwerbslebens sein muss.

Auf einem anderen Screen berichtet ein Philippino von seiner Arbeit. Die Firma, bei der er beschäftigt ist, arbeitet westlichen Konzernen wie Apple zu. Aufgrund der ständigen Gefährdung des Inselstaates durch Stürme, Erdbeben und Vulkanausbrüche, unterhält das Unternehmen in mehreren Städten des Landes ihre Zentralen. Bei einer Wetterkatastrophe in Cebu werden sämtliche Aufgaben 600 Kilometer weiter südlich in Davao auf der Nachbarinsel Mandanao übernommen.

Geredet wird außerordentlich viel, über Arbeit, Kreativität und natürlich über Selbstoptimierung

Das Besondere indes an dieser globalisierten Büroarbeit ist, dass man nicht versteht, dass schwer vermittelbar ist, worin eigentlich die Arbeit besteht, die hier verrichtet wird. Auch das macht Alina Schmuchs Arbeit deutlich: Je umfassender Arbeit wird, desto unsichtbarer wird sie gleichzeitig.

Bemerkenswert ist eine Filmepisode, die ein Seminar zeigt. Eine Gruppe junger Menschen sitzt zusammen beim Frühstück an einem langen Tisch in einer Art Tagungshaus. Ein Querkopf ist auch dabei, der eine Unterscheidung in sinnvolle und nicht sinnvolle Arbeit einfordert.

Barfuß sitzen sie im Gras und diskutieren, jemand steht an einem Board und zeichnet Skizzen aufs Papier. Diese Szenen zeigen, dass gerade die totale Vergesellschaftung des Individuums eine Folge der Alternativkultur der 70er- und 80er-Jahre ist. Bereits im Sprachgestus: „Wir müssen offenen Herzens aufeinander zugehen, uns mit allem in unsere Arbeit einbringen, nicht nur unseren brillanten Verstand. Wir sollten aufhören nur fürs Geldverdienen zu leben und zu arbeiten“.

Künstlerhaus am Deich, bis 18. 11.

Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘ in Bremen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen