: Zum Sieg zurückgepfiffen
Simon Yates triumphiert bei der Vuelta, weil er gelernt hat, seine Kräfte besser einzuteilen. Der Brite könnte auch die WM in Tirol gewinnen. Sein größter Konkurrent könnte ausgerechnet Zwillingsbruder Adam sein
Aus Madrid Tom Mustroph
Mit der Zahl 13 ist es so eine Sache. 13 Tage trug Simon Yates beim Giro d’Italia im Frühling das rosa Leadertrikot. Dann zog es ihm sein britischer Landsmann Chris Froome noch aus. Yates brach an den steilen Rampen Italiens regelrecht ein. 13 Tage lang trug derselbe Simon Yates auch bei der Spanienrundfahrt das Trikot des Gesamtbesten. Ein Rivale vom Format Froomes fand sich bis Madrid aber nicht. Und so konnte Yates nachholen, was schon in Italien greifbar schien: eine Grand Tour gewinnen.
„Ich kann es noch immer nicht recht fassen. Ich bin überglücklich, dass es geklappt hat“, sagte Yates in Madrid. Das sind Sätze, die Grand-Tour-Sieger eigentlich immer sagen, egal, ob sie zum ersten, zum dritten oder zum fünften Mal ein solches Event gewinnen. Es steht in der Partitur. Und meist deutet es sich auch schon in der Mitte des Rennens an, wer diesen Satz dann nach drei Wochen aufsagen kann. „Als ich nach meinem Sieg auf der 14. Etappe die Arme in die Luft strecken konnte, da habe ich gespürt, dass es möglich ist“, sagte Yates rückblickend. Er gewann da den mittleren Abschnitt eines Blocks aus drei aufeinanderfolgenden Bergetappen und hielt auch danach seine Rivalen in Schach. Beim finalen Wochenende in Andorra verlor er zwar etwas auf die Konkurrenz. Er musste dem Gesamtzweiten Enric Mas und dem Gesamtdritten Esteban Chaves 23 Sekunden Vorsprung lassen. Aber das Duo hatte vorher schon entscheidenden Rückstand auf den Briten angesammelt.
Yates hatte standgehalten. „Das stellt eine Lehre aus dem Giro dar. Da bin ich viel aggressiver angetreten, schon in der ersten Woche ging es um Etappensiege. Am Ende reichte dann die Kraft nicht mehr. Hier in Spanien sind wir konservativer gefahren. Das war nicht immer leicht für mich, denn ich bin als Rennfahrer damit aufgewachsen, jede Gelegenheit zum Angriff nutzen zu wollen. Es war zu meinem Besten, dass Teamchef Matthew White mich jeden Tag mindestens einmal zurückpfiff“, meinte er hernach.
Sein Bruder Adam sah es ähnlich. „Mein Problem bei der Tour und Simons Problem beim Giro war, dass wir uns die Kräfte nicht richtig einteilten und auch Fehler gemacht haben, die zu Dehydrierung führten. Das haben wir jetzt abgestellt“, meinte Adam, der vor allem in der dritten Woche wichtigster Helfer seines Bruders war.
Beide führen – in Abwesenheit von Chris Froome und Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas – das WM-Aufgebot ihres Landes in Innsbruck an. Durchaus in einer Favoritenposition. „Wenn ich jetzt auch noch die WM gewinne, beende ich meine Saison sofort und lege die Beine hoch“, äußerte sich der frisch gekürte Vuelta-Sieger Simon Yates zur nahen Zukunft. Er könnte aber auch nur 1b-Kapitän bei den Briten sein. Bei eintägigen Rennen machte bislang Zwilling Adam stärker auf sich aufmerksam. Er gewann bereits die schwere Clasica San Sebastian und kam bei Lüttich – Bastogne – Lüttich in die Top 10.
Für die weitere Zukunft kündigte Simon Yates einen Start beim Giro 2019 an. „Da habe ich noch ein Geschäft zu erledigen“, spielte er auf sein Scheitern in diesem Frühjahr an. Das könnte für Adam bedeuten, dass er die Tour fährt. 2016 war er da schon mal Vierter. Die beiden 26-Jährigen spüren allerdings bereits den Druck von unten. „Es war gut, ausgerechnet jetzt eine Grand Tour zu gewinnen. Denn die Jungs hinter mir werden jedes Jahr besser und schneller“, meinte Simon Yates in Bezug auf die Männer neben ihm auf dem Podium. Mas, Gesamtzweiter bei seiner erst zweiten Dreiwochenrundfahrt, ist erst 23 Jahre jung, Lopez, Dritter bei der Vuelta und im Mai bereits Giro-Dritter, ist 24.
Angesichts dieses extrem jungen Rundfahrtpodiums – des jüngsten seit 1936, als der 21-jährige Gino Bartali vor Giuseppe Olmo (24) und Severini Canavesi (25) den Giro gewann – wird deutlich, wie schwierig das Geschäft für die deutschen Rundfahrttalente Emanuel Buchmann (25) und Maximilian Schachmann (24) ist. Beim WM-Straßenrennen in Tirol treffen diese Youngster alle aufeinander.
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