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Gib Gummi – aber bitte öko

Man sollte meinen, ein Gummiband für die Ökounterhose zu entwickeln, sei keine große Sache – ist es aber doch

Naturkautschuk wird aus Gummibäumen gewonnen, hier eine Plantage in Indonesien Foto: YT Haryono/reuters

Von Hanna Gersmann

Auch die Ökounterhose soll sitzen. Doch das ist nicht so einfach. Mandy Geddert hat die Frage, wie ein Gummiband öko wird, aber nicht sofort aus­leiert, jetzt gut acht Jahre beschäftigt. Sie designt in Berlin Mode, hat ihr eigenes Label namens CHARLE – sustainable kids fashion. Ist so ein Gummiband nicht eine Petitesse? Für Ged­dert nicht. „Wir wollen doch weg vom Erdöl, dann auch konsequent“, sagt sie. Im Gummiband stecke zumeist Kautschuk, das aus dem fossilen Rohstoff künstlich hergestellt werde.

Genaue Zahlen, wie viele Gummibänder in Klamotten eingenäht werden, gibt es nicht. Doch die Modebranche, die 2017 rund 2 Billionen Euro weltweit umgesetzt hat, ist ein wahrer Ressourcenfresser. Innerhalb von zwölf Monaten wirft sie rund 100 Milliarden Kleidungsstücke auf den Markt. „Damit können sie 400 Milliarden Quadratmeter auslegen, das entspricht der Fläche von Deutschland und Luxemburg zusammen“, rechnet die Textilexpertin bei Greenpeace, Viola Wohlgemuth, vor. So viel Stoff, Wasser, Energie und Chemie sei dafür nötig, dass die Textilproduktion zu den Industrien gehöre, die die Umwelt am stärksten verschmutzten. Sie müsse sich erneuern und weg von der Wegwerfmode hin zu ökologisch produzierten, langlebigen Lieblingsstücken.

Kunden gibt es dafür längst. Das haben die Großen der Branche schon selbst erkannt. So verspricht der schwedische Textilkonzern H&M zum Beispiel von 2020 an nur nachhaltige Baumwolle und ab 2030 nur noch recyceltes Material einzusetzen. Aber vom großen Öko-Umbau ist die Modebranche weit entfernt. Da machen sich andere ran, solche wie Geddert.

„Nur ein guter Stoff reicht nicht“, sagt sie. Doch selbst in Ökoklamotten könnten heute ganz herkömmlich produzierte Gummibänder stecken. Das gelte – wenigen sei das klar – auch für alle Accessoires und was sonst noch zum Schneidern dazu gehört wie Knöpfe oder Reißverschlüsse.

Prangt auf einem Hemd zum Beispiel das GOTS-Siegel – die Abkürzung steht für Global Organic Textile Standard, das Logo zeigt ein weißes Hemd auf grünem Grund –, muss es im Grunde nur zu 70 Prozent aus biologisch erzeugten Naturfasern bestehen. Allerdings müssen bestimmte Schadstoffwerte eingehalten werden. Beim blauen Siegel „Naturtextil IVN zertifiziert BEST“ oder bei Made in Green ist das ähnlich. Dabei sind die laut Greenpeace schon die besten Label unter den zahlreichen Ökolabeln.

Geddert macht da weiter, wo andere aufgehört haben. 2010 ging es los. Da musste sie erst noch einen Spezialisten finden, versuchte es in einer alten Textilregion, genauer: in Wuppertal, wo noch heute viele Bandproduzenten sitzen. Dort wurde sie allerdings abgewiesen, zu speziell, zu wenig Gewinn versprechend.

Geddert stieß im Internet auf eine österrreichische Firma und zunächst wieder nur auf Ablehnung. Irgendwann sagte der Chef aber, na gut, sie könne es ja mal probieren. So ein Gummiband ist ein erstaunlich kompliziertes Ding. „Üblicherweise werden dünne Schnüre aus Kunstkautschuk mit Kunstgarn verwebt“ sagt Geddert. Ihre Naturrohstoffe machten im Vergleich dazu Ärger, zum Beispiel Staub, die Maschine verdreckte schnell.

„Üblicherweise werden dünne Schnüre aus Kunstkautschuk mit Kunstgarn verwebt“

Mandy Geddert, Ökomode-Designerin

Das größte Problem aber: Das GOTS-zertifizierte Ökogarn riss immer wieder. Irgendwann holte der Bandweber – den Namen nennt Geddert nicht, sie will keine Konkurrenz anlocken – eine alte Maschine von seinem Großvater heraus, eine mit weniger Kraft. 2012, kurz vor Weihnachten, spuckt diese die ersten 1,000 Meter gewebtes Gummiband aus, 18 Millimeter breit. Sie läuft bis heute.

Heute verkauft Geddert ihre Bänder weltweit für Bettlaken, Sportzeug oder Unterwäsche, obwohl sie Pi mal Daumen zehnmal mehr kosten als die herkömmlichen. Sie hat mittlerweile auch reißfesteres, da mehrfach verzwirntes Garn gefunden, dem auch die modernen Maschinen nichts anhaben können.

Nur: Perfekt ist das Ökoband immer noch nicht. Gedderts Naturkautschuk, den sie über einen deutschen Händler aus Malaysia bezieht, fehlt ein Ökosiegel. Naturkautschuk ist aber nicht unbedingt ökologisch, es kann auf großen Plantagen gewonnen sein, für die regionale Wälder gerodet wurden und die mit Herbiziden und Pestiziden gespritzt werden. Ihr österreichischer Kollege sei schon vor Ort gewesen, sein Eindruck war gut, sagt Geddert. Aber wissen kann man es nicht.

Also will sie nun dafür sorgen, dass die Plantage ein Ökosiegel bekommt. Und wenn nicht? Dann suche sie sich einen Kautschuklieferanten, der das GOTS-Zeichen hat. Einen kennt sie schon. Doch der bietet nur 10 Millimeter breite Gummischnüre an – die sind als Ausgangsprodukt zum Weben viel zu dick. „Aber vielleicht bekommt er das ja schmaler hin“, sagt Geddert. Und: „Unglaublich, was für ein technisches Know-how nötig ist für ein so unscheinbares Detail.“

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