: Einmal Asiat, immer Asiat
ECHT ODER UNECHT? So „deutsch“ der künftige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler von der FDP auch sozialisiert ist – für die Mehrheitsgesellschaft im Land bleibt er ein Migrant
VON FELIX LEE
Es ist schon eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet eine bürgerlich-konservative Koalition bestellt eine Frau zur Kanzlerin und einen bekennenden Schwulen zum Außenminister. Und als wurde die Seele deutschtümelnder Altherren bei Union und FDP noch nicht genug getriezt: Seit dem Wochenende ist klar, dass mit Philipp Rösler (FDP) künftig auch noch ein Vietnamese Bundesgesundheitsminister wird. So viele VertreterInnen gesellschaftlich Stigmatisierter in einem Bundeskabinett – das hat es selbst zu rot-grünen Zeiten nicht gegeben. Was Rösler betrifft, stellt sich jedoch die Frage: Über wie viel Migrationserfahrung verfügt er überhaupt?
„Rösler ist Deutscher und er fühlt auch so“, schreibt die Bild. Das Boulevardblatt verweist auf sein schwarzes Haar und die chinesischen Augen. Er sei aber „durch und durch deutsch“. Immerhin stehe er auf Butterbrot mit Nordseekrabben, die NDR-Talkshow und den deutschen Fernsehzweiteiler „Tadellöser & Wolff“. Dem Kölner Stadtanzeiger gestand Rösler gar, dass er am liebsten Udo Jürgens lauscht.
Und tatsächlich ist Rösler bereits mit neun Monaten von einem Ehepaar aus Norddeutschland adoptiert worden, verbrachte seine Kindheit ab seinem vierten Lebensjahr wohlbehütet in Hamburg und der norddeutschen Tiefebene bei seinem Adoptivvater – einem Bundeswehrpiloten. Dass er überhaupt 2006 erstmals nach Vietnam geflogen ist, geht angeblich auf Drängen seiner Frau Wiebke zurück – damit sie ihren beiden Zwillingstöchtern Gesche und Gritje mal erzählen können, woher der Papa kommt. Er selbst hat in mehreren Interviews gesagt, dass er nie das Bedürfnis hatte, nach seinen vietnamesischen Wurzeln zu suchen. Er sieht sich als „deutscher Katholik“.
Und doch: Ein Deutscher fernöstlicher Abstammung verfügt – wie im Übrigen auch einer mit schwarzafrikanischer – per se über sehr viel Migrationserfahrung, egal mit wie viel Jahren oder Monaten er oder sie von einer deutschen Familie adoptiert wurde. Qua Aussehen.
Es ist bezeichnend, dass die Herkunft vieler Deutscher mit Migrationshintergrund eine umso geringere Rolle spielt, je mehr sie beruflich, sozial und kulturell in der Mehrheitsgesellschaft als angepasst gelten. Nicht einmal äußerlich wird ihre Herkunft von den Mitmenschen noch erkannt. Doch das trifft vor allem auf Deutsche türkischer, südeuropäischer oder lateinamerikanischer Abstammung zu. MigrantInnen asiatischer oder schwarzafrikanischer Herkunft hingegen können sich noch so sehr assimilieren – der „MigrantInnenmakel“ bleibt ihnen.
Wie sehr auch Rösler immer wieder mit seiner Herkunft konfrontiert wurde, hat sich nicht zuletzt im niedersächsischen Landtag gezeigt: Wenn seine politischen Freunde über ihn urteilten, schätzten sie ihn für seine Höflichkeit und seinen Fleiß – Tugenden, die Asiaten häufig nachgesagt werden. Seinen Gegnern ist bei der einen oder anderen Auseinandersetzung schon mal die Bezeichnung „die gelbe Gefahr“ herausgerutscht. Weniger abfällig war es dann noch, wenn sie von „dem Chinesen“ sprachen.
Und so ist es für dieses Land migrationspolitisch sehr wohl ein positives Signal, dass es nun ein „Vietnamese“ bis in die Bundesregierung geschafft hat. Ob auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft bereit ist für einen Migranten an der Spitze? Das kann sie nun beweisen.