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Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Wenn eine Galerie beschließt, aus dem Rhythmus lange im voraus geplanter Ausstellungen auszubrechen, um kurzfristig ihr Programm zu ändern, müssen besondere Umstände vorliegen. Für KOW waren das die Vorkommnisse von Chemnitz. Mit „Was euch am Leben hält, ist, was bei uns zu Asche zerfällt“, einer Gruppenausstellung zusammengestellt aus Arbeiten von sechs Künstler*innen, ergreift die Galerie außergewöhnlich deutlich Position und fragt auch nach der Verantwortung der Kunst. Beklemmend ist schon der Titel, der ein Graffiti zitiert, das Tobias Zielony 2003 im thüringischen Altenburg fotografierte. Nah an den aktuellen Ereignissen ist Henrike Naumanns Auseinandersetzung mit dem Chemnitzer rechtsradikalen Milieu aus dem Jahr 2013 – eine Installation aus Möbeln und Videos. Klug macht die Schau aber gerade, dass sie nicht nur auf den Status quo schaut, sondern auf Ereignisse und Entwicklungen seit den 1990er Jahren, auf das Anschwellen sozialer Ungleichheit sowie fehlgeleitete oder fehlende öffentliche Diskurse. Entsprechend stammt etwa die von Alice Creischer mit Lippenstift beküsste Titelseite der Bild-Zeitung aus dem Jahr 1992. Ob ein wenig Liebe vielleicht doch schon gegen den Hass hilft? (bis 10. 11., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Brunnenstr. 9).

Weiss Berlin setzt momentan ebenfalls auf die Liebe. Mit „Love/Liebe“ ist dort eine Einzelausstellung von Keith Mayerson betitelt. Normalerweise funktionieren Mayersons Ausstellungen wie begehbare, wenn auch nicht unbedingt linear erzählte Comics. Dieses Mal treffen frühe Gemälde und späte Zeichnungen sowie allerhand weitere Arbeiten auf Papier und Leinwand auf Zeichnung aus der Weimarer Republik, unter anderem von Otto Dix, George Grosz oder Josef Scharl. Um diese Liebe geht es nämlich offenbar, die Liebe Mayersons zum Werk jener Künstler. Wie diese seine eigenen Arbeiten prägte, lässt sich in der Gegenüberstellung schön erkennen, aber nicht nur deswegen ist der Besuch empfehlenswert: Mayersons Kurztexte zu seinen Arbeiten zu lesen, die auf tragikomische Weise die Bildebene ergänzen, ist eine wahre Freude (bis 13. 10., Do.–Sa. 13–18 Uhr, Bundesallee 221).

Immerhin um Gemeinschaft geht es im Bärenzwinger, wo am Sonnabend die von Nadia Pilchowski kuratierte Ausstellung „Aktive Asche“ von Mariechen Danz, Johannes Paul Raether und KAYA mit „Programm“ eröffnet wird. Was genau zu erwarten ist – keine Ahnung. Allein die Auswahl der Künstler*innen ist aber schon vielversprechend (Eröffnung am 15. 9. um 14 Uhr, bis 21. 10., Di.–So. 12–18 Uhr, Am Köllnischen Park).

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