Pioniere der Computerkunst

Die Kunsthalle Bremen zeigt Computergrafiken aus ihrer internationalen Sammlung, eine der größten weltweit

Otto und Oskar Beckmann: „Imaginäre Architektur: Ferner Hafen“, 1970, s/w Computer­grafik; Offsetdruck Foto: Kunst­halle Bremen

Von Radek Krolczyk

Eine Ausstellung der Bremer Kunsthalle zeigt unter dem Titel „Programmierte Kunst“ eine Auswahl früher Computergrafik. Das Museum verfügt über eine beachtliche Sammlung computergenerierter Arbeiten: mithilfe von analogen und digitalen Rechnern generierte Zeichnungen oder Malerei. Darunter befinden sich wichtige Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie A. Michael Noll, Frieder Nake oder Vera Molnár, die meisten aus den 1960er und 1970er Jahren.

Besonders bemerkenswert in der Schau sind die verschiedenen Ebenen von Geschichtlichkeit. Denn obwohl Computerkunst längst historisch geworden ist, umgibt jegliche Medienkunst nach wie vor eine Aura der Aktualität – und die Behauptung von Aktualität kommt bekanntlich allzu oft Hand in Hand mit einem Diktat daher. Was aktuell ist, dem muss Folge geleistet werden.

In der Bremer Kunsthalle werden die Papierarbeiten im Kupferstichkabinett gezeigt, also dort, wo sonst die Drucke von Albrecht Dürer und Francisco Goya zu sehen sind. Manche der Arbeiten werden in den Vitrinen der schweren, dunklen Holzschränke präsentiert. Wie eine Inszenierung wirkt das nicht, man folgt dem gewohnten Umgang mit dem alten Genre der Druckgrafik. Computerkunst wird so unmittelbar in die Kunstgeschichte eingespeist, muss sich darin behaupten und steht zur Disposition.

Nutzlose Begriffe

Der Bremer Künstler Frieder Nake, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiern wird und in der Ausstellung auch mit neueren, filmischen Arbeiten vertreten ist, hat bei der Konzeption der Ausstellung mitgeholfen. Die Entmystifizierung des Mediums scheint auch ihm wichtig zu sein. Beim Pressegespräch betont er die Nutzlosigkeit eines Begriffs wie „künstliche Intelligenz“. Er macht deutlich, dass jede Apparatur immer nur das kann, was der Mensch der dahinter steht, von ihr erwartet. In diesem Sinne gebe es keine Computerkunst, sondern lediglich Kunst, die mithilfe von Computern produzierte wird.

Nake steht als materialistischer Künstler jedem Technikmystizismus skeptisch gegenüber: In den 70ern war er im Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) aktiv und versorgte seinen Ortsverband mit einer frühen Form des Intranet, wie ehemalige Mitstreiter berichten. Der KBW muss damit in der Kommunikation eine Art Avantgarde gewesen sein.

Betrachtet man die Arbeiten der Ausstellung, kann man deutlich sehen, dass im Mittelpunkt der Computerkunst von Moden beeinflusstes menschliches Handeln steht. Allein bei Nake selbst merkt man die Affinität zu den Zeichnungen Paul Klees. Die mit analogen Computern erstellten Farbverläufe von Otto Beckmann erinnern an informelle Malerei und Ernst Schotts Plotterzeichnungen an Op-Art. Wozu dann also überhaupt Computer? Wohl weil sie als Werkzeuge ihre eigene Ästhetik, ihre eigenen Vorzüge und ihre eigene Fehleranfälligkeiten mit sich bringen.

Nake ist unter den Vertretern der Computerkunst eine Ausnahme. Der Glaube an die Allmacht neuer Medien in der Kunst war in den 1960er Jahren genauso virulent wie heute. Der bereits erwähnte Otto Beckmann formulierte 1976, Computerkunst sei „ihrem Wesen nach eine ars intermedia. Eine Kunst multimedialen Charakters mit fließenden Übergängen zwischen einzelnen Kunstgattungen und ihren Verschmelzungen zu neuen Kunstformen“. In der Ausstellung sind einige seiner Arbeiten zu sehen, die aus der Zusammenarbeit mit seinem Sohn Oskar entstanden sind. Die organischen Farbverläufe erinnern an Figurengruppen in der Vertikalen oder Landschaften in der Horizontalen.

Otto Beckmann verfügte kaum über computertechnologische Kenntnisse. Vor seinem Sohn unterstützten ihn die fachkundigen Ingenieure Alfred Graßl und Gerd Koepf bei der künstlerischen Arbeit. Erste Computergrafiken entstehen durch die Verbindung digitaler Rechner an analoge Messgeräte für elektrische Spannungen. Die auf diese Weise erzeugten Grafen werden erst fotografisch, schließlich in Offsetdruck übersetzt. Das klingt nun nicht nach der Supermaschine, sondern nach einem Provisorium, das mittels Zufall zu Kunst fähig ist.

Esoterische Spinner

Einige der seltsamsten Objekte der Sammlung, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind die Fotografien von Herbert W. Franke. Sie sehen aus wie die Aurafotografien esoterischer Spinner, denen es tatsächlich gelungen ist, eine solche zu fotografieren. Der studierte Mathematiker, Physiker, Chemiker, Psychologe und Philosoph kommt Anfang der 1960er Jahre mit der Kunst in Berührung. An Computern begeisterte ihn, dass es sich um ein Werkzeug handelt, dessen Ergebnisse sich erst sehr vermittelt ausdrücken.

Bekannt sind vor allem seine „Lichtformen“; die er in der Dunkelkammer mit Licht und in Schwingungen versetzten Drähten erzeugte. Für Franke war nicht so sehr alles Kunst, sondern alles Gesellschaft. Daher wollte er einzelne Disziplinen nicht einander unterordnen, sondern sie im Zusammenhang anwenden. Es ging ihm „nicht um die Schaffung einer solitären Computerkunst, sondern immer um die lebendige Wechselwirkung zwischen den elektronischen Medien, der Kunst und der Gesellschaft“, ist im Sammlungskatalog der Kunsthalle zu lesen.

Bis 11. November, Kunsthalle Bremen