: Nicht wirklich lustig
MINDERHEITEN IN ITALIEN Leben zwischen den Kulturen: „Roma in Rom“ des Fotografen Nihad Nino Pusija in der Galerie Kai Dikhas
VON ANDREAS HARTMANN
Ihre Blicke gehen direkt in die Kamera, in der einen Hand halten sie ein Schwert, in der anderen einen Schild. Die drei Jungs, die der in Sarajevo geborene und seit 20 Jahren in Berlin lebende Fotokünstler Nihad Nino Pusija in seiner Fotoserie „Die Gladiatoren“ inszeniert, scheinen bereit zum Angriff, aber auch zur Verteidigung.
„Die Gladiatoren“ sind Teil der Ausstellung „Roma é Roma“ – Roma in Rom, die gerade in der Galerie Kai Dikhas zu sehen ist. Nihad Nino Pusija, der seit 20 Jahren viele Reisen und Reportagen zu den Roma unternommen hat, weiß erst seit einigen Jahren, dass sie auch zu seiner Familie gehören. In Rom geht es ihm um die Situation der Roma in Italien im Allgemeinen und in Rom im Speziellen, nicht nur in möglichst realistischen Bildern, sondern gern auch mit etwas Schalk statt des erhobenen Zeigefingers inszeniert. Seine Gladiatoren sind dann auch Angehörige der Roma-Minderheit in Italien. Sie stehen vor einem als vermeintlich stolze Kämpfer, die trotzdem Opfer sind – ihre Schilde sind auch schon recht ausgebeult. Gladiatoren waren schließlich Gefangene, die kämpfen mussten, um möglichst lange weiterleben zu dürfen. Man darf dieses Bild ruhig auf die Situation der über Jahrhunderte hinweg ausgegrenzten Sinti und Roma generell übertragen.
Verblüffend ist, wie der Künstler immer wieder mit einigem Witz an seine Sache geht und wie einem als Betrachter das Lachen immer wieder schnell mal im Halse stecken bleibt. So gibt es in der Ausstellung auch eine Fotonovela zu sehen, ähnlich diesen „Bravo“-Lovestorys. Ironisch und mithilfe von einmontierten Sprechblasen wird hier comichaft gezeigt, wie sich Roma zwischen ihrer eigenen Kultur und der ihrer Umgebung bewegen müssen, zwischen arrangierten Ehen und der Lust auf das Leben da draußen.
Campi Nomadi
Von der Regierung Berlusconi wurden sie in Lager gesteckt, in Wohnwagensiedlungen ohne geteerte Straßen, Nichtroma haben keinen Zutritt zu diesen Lagern, und außerhalb der Lager sind sie Flüchtlinge, die niemand hier haben will.
Man soll Spaß haben bei Nihad Nino Pusija, das geht ja schon los beim Titel der Ausstellung: „Roma in Rom“. Das klingt nach einer dieser billigen Alliterationen, die sich Zeitungsredakteure kurz vor Redaktionsschluss für ihre Überschriften ausdenken. Doch die Realität der in Italien gestrandeten Sinti und Roma, die nach den Wirren des Bürgerkriegs in Jugoslawien aus der Heimat geflohen sind, ist nicht wirklich lustig. Die Flüchtlinge wurden in Italien in sogenannten Campi nomadi aufgefangen, eine Minderheit, der sowieso mit reichlich Vorurteilen begegnet wird, wurde vorsätzlich ethnifiziert und gettoisiert.
Es passierte, was passieren musste. Es kam zu Übergriffen auf die Lager, gleichzeitig wuchs der Missmut unter den gesellschaftlich Marginalisierten und damit Kleinkriminalität und Ähnliches.
Was in Italien unter der Regierung Berlusconi passierte und unter Monti immer noch nicht vorbei ist, ist besonders krass, könnte man meinen. Wenn es denn nur so wäre. In Ungarn gibt es bekanntlich immer wieder pogromartige Ausschreitungen gegen die Minderheit der Sinti und Roma, und auch in Deutschland kann man nicht gerade davon reden, dass den immer noch gern so genannten „Zigeunern“ ohne Klischeevorstellungen gegenübergetreten würde.
Ort der Bewegung
Aus diesen Gründen bemüht sich die Galerie Kai Dikhas, was aus dem Romanes übersetzt „Ort des Sehens“ heißt, um ein differenzierteres Bild der Sinti und Roma. Wichtig, so sagt der künstlerische Leiter der noch jungen Galerie, Moritz Pankok, sei dabei, zeitgenössische Kunst der Minderheit selbst auszustellen, ihr Bild nicht der Bestimmung durch Außenstehende zu überlassen. Dafür arbeitet Pankok, der sich auch aktiv für die Errichtung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin eingesetzt hat und nebenbei als Theaterregisseur tätig ist, mit Roma-Organisationen zusammen. Auch die Ausstellung „Roma é Roma“ wurde von der Galerie mitfinanziert.
Moritz Pankok nennt seine Galerie einen „permanenten Ort für die Bewegung“, womit er implizit denjenigen eine Basis gibt, von denen es gern heißt, sie seien umherziehende Nomaden.
■ Nihad Nino Pusija: „Roma é Roma – Roma in Rom“. Galerie Kai Dikhas im Aufbau Haus am Moritzplatz, Di. bis Sa. 12–19 Uhr, bis zum 30. 11. 2012