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Klage gegen die Zustände

Die „Hollywood Blacklist“ erklärte in den 1930er bis 60er Jahre viele Filmschaffende zu Staatsfeinden. Das Arsenal zeigt eine Auswahl ihrer Werke

Von Jenni Zylka

„Diejenigen, die alles nur für sich tun, bleiben allein.“ Harriet Craigs Haushälterin (Jane Darwell) ist schlauer als ihre Herrin (Rosalind Russell). Denn Gefühle, Romantik, Liebe, das sind für „Craig’s Wife“ Illusionen. Sie hat Mr. Craig (John Boles) aus materiellen Gründen geheiratet, für das Haus, die Bediensteten, die schnieke Vase im blitzblanken Salon. Als der Ehemann die Motive seiner eiskalten Frau erkennt, verlässt er sie. Und Harriet bleibt allein – die Haushälterin hat Recht behalten.

Dorothy Arzners 1936 entstandene Adaption eines Broadway-Theaterstücks ist aus vielen Gründen besonders: Die Protagonistin, das „material girl“ vereint die Probleme der Zeit – geschlechtsbedingte Ungerechtigkeiten, wachsender Kapitalismus, Repressionen – mit einer Klage gegen diese Zustände: Was soll Harriet, die nie etwas anderes gelernt hat, als ein schönes Anhängsel zu sein, sonst tun? Kann eine Ehe in diesem Jahrzehnt glücklich sein? Zudem war Dorothy Arzner in den 30ern die einzige aktive Regisseurin Hollywoods – eine Filmfanatikerin, die es in 16 Jahren auf 16 Filme brachte. Und die, laut dem Kurator der Retrospektive „Hollywood Blacklist“, Hannes Brühwiler, gemeinsam mit den anderen 23 Filmen der Reihe „eine linke Vision der USA“ erschuf, die um „das Kernanliegen der linken Filmschaffenden“ kreiste: Faschismus, Rassismus, Feminismus, Ausbeutung, kapitalistische Gier.

Auf der „Hollywood Blacklist“ standen von den 30ern bis in die 60er Jahre jede Menge Filmschaffende, denen das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (HUAC), ein Gremium des US-Repräsentantenhauses, in langen und unsanften Anhörungen ihre politischen Ansichten, ihre Haltung zum verhassten Kommunismus und Namen von „Staatsfeinden“ zu entlocken versuchte, und generell das Leben schwer machte. Zehn von ihnen mussten zeitweise ins Gefängnis. Der Drehbuchautor Dalton Trumbo, dessen bittere Erfahrungen mit dem HUAC vor drei Jahren mit Bryan Cranston verfilmt wurden, ist in der Retrospektive mit „Gun Crazy“ vertreten. Das von Joseph H. Lewis 1950 inszenierte Drama erzählt die Geschichte des gutmütigen Bart (John Dall), der bereits als Junge von Knarren fasziniert war: „Wenn ich schieße, fühle ich mich gut … als ob ich wirklich jemand bin!“ Es kommt wie es kommen muss, Bart lernt eine verführerische Pistolenbraut kennen, und raubt mit ihr Banken aus, bis etwas grandios schief geht. Die dreieinhalbminütige Plansequenz, die vom Rücksitz des Fluchtautos gedreht wurde, ist nur eines der Highlights dieses furiosen, mit einem atmosphärischen Nebel-Showdown beeindruckenden B-Movies, der das Thema USA und ihre groteske Waffenliebe ernsthafter untersucht als so mancher moderner Film.

Es ist eh faszinierend, wie die alten Filme mit aktuellen Themen um sich werfen: „The Sound of Fury“, den Cy Endfield 1950 inszenierte, bevor er wegen der HUAC-Animositäten nach England emigrieren musste, erzählt nach einer wahren Geschichte vom Lynchmord an zwei mutmaßlichen Kidnappern und Killern. Während die treibende Kraft Jerry, kraftvoll gespielt von Lloyd Bridges, den Entführten ohne Not ermordet, leidet sein Fahrer, der zaghafte Familienvater Howard (Frank Lovejoy). Doch die Macht der Presse ist neben „Schuld und Sühne“ das zweite relevante Sujet in diesem bedrückenden Film noir: Der Mob, der den beiden Gangstern den Garaus machen will, wurde von tendenziösen Leitartikeln aufgehetzt. „Gewalt ist eine Krankheit, die aus moralischem und sozialem Zusammenbruch entsteht“, hatte der Arzt Dr. Simone (Renzo Cesana) vorher noch gewarnt. „Man muss ihr mit Vernunft, und nicht mit Gefühl begegnen, mit Verständnis, nicht mit Hass!“ Aber seine humanen Ansichten, die die „Lügenpresse“ und die subjektive Berichterstattung unter Trump vorwegnehmen, werden nicht gehört.

Und dann verwandelt sich der deutsche Ehemann einer Amerikanerin bei einem Besuch in Deutschland kurz vor Kriegsbeginn noch in einen glühenden Nazi – Irving Pichel drehte „The man I married“ 1940, und thematisierte damals schon Konzentrationslager: „Die sind bestimmt nicht halb so schlimm wie man sagt“, versucht Carol (Joan Bennett) anfangs, den Bruder eines „Dissidenten“ zu beruhigen. Bis sie herausfindet, was dem Mann widerfahren ist. Angesichts des jahrzehntelangen deutschen Beharrens auf Nichtwissen ist dieser Film ein echter Knaller. Und zeigt, dass das Verhindern der aufklärerischen und rebellischen Blacklist-Filme glücklicherweise nicht komplett geklappt hat. Die hervorragend kuratierte und rare Auswahl macht klar, wo die US-Filmindustrie politisch schon einmal stand. Ein Jammer, dass das in Vergessenheit geriet.

Hollywood Blacklist, Arsenal Kino, Potsdamer Straße 2, 1.–30. 9., www.arsenal-berlin.de

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