piwik no script img

„Münzen sind ein Medium der Geschichte“

Nicht nur Sammler, nein, wir alle würden etwas verlieren, wenn es kein Bargeld mehr gäbe: Die Numismatikerin Barbara Simon im Interview über alte Kaiser und ihre Lieblingsmünze

Barbara Simon

geboren 1960, ist Archäologin und Kunst­historikerin. Seit 2016 ist sie Präsidentin der Deutschen Numisma­tischen Gesellschaft.

Interview Felix Zimmermann

taz am wochenende: Seit wann gibt es Münzen, Frau Simon?

Barbara Simon: Im 7. Jahrhundert vor Christus wurden in Kleinasien, in Lydien, kleine Metallstücke mit Stempeln versehen, die ihren Wert garantierten. Das waren die ersten Münzen, noch sehr einfach, meist bildlos, aber: geprägt – im Gegensatz zu ihren Vorgängern, einfachen Barren oder Geräten aus Metall.

Wäre es ein Verlust, wenn wir auf Münzen verzichten würden?

Das wäre ein erheblicher Verlust! Allein wenn ich an die 2-Euro-Sondermünzen denke, die Persönlichkeiten ehren oder unsere Verfassungsorgane. Neben einem schönen Aussehen haben sie eine geschichtliche Komponente. Als Sammler ist man an solchen Münzen besonders interessiert.

Da sprechen wir von Sammlern. Aber was verlieren wir alle, wenn es keine Münzen mehr gäbe?

Auch ganz normale Alltagsmünzen sagen etwas aus über unsere heutige Kultur. Verzichten wir darauf, würde unsere geschichtliche Hinterlassenschaft ärmer werden.

Warum ist es so wichtig und schön, sich mit Münzen zu beschäftigen?

Ich beschäftige mich in erster Linie mit antiken Münzen, anhand von römischen Kaisermünzen kann man erfahren, welche Themen dem Kaiser wichtig waren, wie er sich selbst und seine Herrschaft darstellen wollte. Das ist ein sehr starker Wert.

Ich stand neulich vor einem Denar aus der Zeit der Kaiserkrönung Karls des Großen. So viel Herrschersymbolik! Karl als römischer Feldherr, auf der anderen Seite eine einfache Kirche mit Kreuz, das Bekenntnis zum Christentum. Toll! Aber ist die historische Verwertbarkeit einer Münze aus einem supranationalen Gemeinwesen mit einer Währung wie dem Euro nicht viel schwächer?

Heute ist es kein bestimmter geistlicher oder weltlicher Herrscher, der seine Selbstdarstellung auf die Münze bringt, aber die Länder, die am Euro teilnehmen, stellen sich ja auch auf den Münzen dar: Was zeigen sie, und was erzählt das über den Staat? Das wird auch für nachfolgende Generationen interessant sein!

Wie wichtig sind neben dem Münzbild Haptik und Klang?

Eine Münze selbst in der Hand zu haben, sie fühlen zu können, gerade auch wenn es eine Münze aus früherer Zeit ist, ein ganz kleines Silberstückchen, das fasziniert mich immer wieder.

Wie würde Ihnen eine bargeldlose Zeit vorkommen?

Ärmer um ein Medium, das auch heute immer noch eine Bedeutung hat.

Gibt es eine Münze, die Sie besonders verehren?

Ich würde eine Münze aus der griechischen Antike wählen, eine aus der Stadt Syrakus mit dem schönen Bild der Quellnymphe Arethusa auf der Vorderseite, einer Hauptgottheit der Stadt, und auf der Rückseite eine Quadriga, die an die Siege des Herrschers erinnert. Das ist eine Münze, die mich besonders begeistert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen