piwik no script img

Der Sprit kostet so viel wie nie zuvor

Der gegenwärtige Rekordpreis von 1,32 Euro pro Liter dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. „Katrina“ liefert neue Begründungen für Preiserhöhungen. Doch selbst die Opec hält die explodierenden Rohölpreise für nicht gerechtfertigt

AUS FRANKFURT AM MAINKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Top, die Benzinwette gilt. Schnell mal eben 1.000 Euro darauf gesetzt, dass der Spritpreis zum Jahresende die „Schallmauer“ von 1,50 Euro durchbricht. Da gehört man – wahrscheinlich – zu den Gewinnern bei myBet.com, der größten Internetwettbörse in Deutschland. Denn die Spritpreise explodieren. Mit 1,32 Euro für einen Liter Superbenzin und 1,14 Euro für den Liter Diesel erreichten sie gestern ihren vorläufigen Höchststand. Spediteure raufen sich ebenso die Haare wie Kurier- und Taxifahrer. Der Bundesverband der Deutschen Industrie senkte gestern seine Wachstumsprognose. Es werde immer schwieriger, überhaupt ein Wachstum von einem Prozent im gesamten Jahr zu erreichen. Und vor dem Hintergrund der hohen Ölpreise wird das Wachstum 2006 wohl eher unter einem Prozent liegen. In den Grenzregionen suchen Tanktouristen im Ausland bereits seit Wochen verzweifelt nach billigerem Sprit.

„Super 94 ausverkauft!“ – Das Pappschild hing vor knapp zwei Wochen an den Zapfsäulen einer Tankstelle im ostfranzösischen Departement Moselle an der Grenze zum Saarland. Entnervt drehten die deutschen Autofahrer wieder ab. Zehn Cent hätte man im Vergleich mit dem Preis für Superbenzin in Deutschland da noch sparen können – wenn die Deutschen nicht schon alles leer getankt hätten.

In Frankreich ist das jetzt zwar vorbei. Nach dem rasanten Anstieg der Rohölpreise am Weltmarkt kosten Super- und Normalbenzin und auch Diesel dort inzwischen fast genauso viel wie in Deutschland. In Polen und Tschechien blüht der Tankgrenzverkehr dagegen noch. Pächter in Sachsen und Brandenburg im grenznahen Bereich gehen gleich serienmäßig in Konkurs. Im Landesinneren schürt Bild mal wieder die Benzinwut, und die FDP fordert die Senkung der Ökosteuer.

Der Preis für ein Barrel Rohöl fiel gestern in New York um rund zwei Dollar, nachdem die Schäden durch den Wirbelsturm „Katrina“ an der US-Golfküste offenbar kleiner als erwartet ausgefallen sind. Das hatte aber noch keinen Einfluss auf den Spritpreis, der auf nicht absehbare Zeit nur eine Laufrichtung zu kennen scheint: steil nach oben. Experten an der Börse in Frankfurt am Main sagten der taz, dass sie das Ende der Fahnenstange etwa zum Jahreswechsel bei ungefähr 1,80 Euro für den Liter Superbenzin sehen.

Bis dahin, heißt es weiter, würden sich die Mineralölindustrie und die Ölspekulanten an den Börsen der Welt „dumm und dämlich“ verdienen. Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) in Deutschland hält dagegen und legt eine Statistik vor, wonach die Branche schon 2004 an einem Liter Superbenzin mit 8,5 Eurocent exakt 0,5 Eurocent weniger Gewinn erwirtschaftet habe als im Vorjahr. Und gerne weist der Verband darauf hin, dass sich der Steueranteil an einem Liter Superbenzin inzwischen auf fast 83 Eurocent erhöht habe. Ohne Steuern, so der MWV, würde der Liter Super nämlich nur rund 47 Eurocent kosten.

Aktuell soll jetzt der Hurrikan „Katrina“ an dem Preisschub an den Zapfsäulen schuld sein. Der Wirbelsturm habe die Ölförderung auf den Bohrinseln im Golf von Mexiko beeinträchtigt und damit das Angebot auf dem Weltmarkt weiter verknappt, lautete die „Erklärung“ dazu von Seiten der Mineralölindustrie. Das glauben aber selbst die in der Opec zusammengeschlossenen Erdöl produzierenden Staaten nicht. Der hohe Ölpreis sei „nicht gerechtfertigt“, erklärte die Opec gestern. Realistisch sei ein Preis von 40 bis 55 Dollar. Doch wie kann dieser am Markt durchgesetzt werden? Die Opec schweigt.

meinung und diskussion SEITE 11, 12

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen