: Niger, ein Parkplatz für besonders gefährdete Flüchtlinge
Seit die Kritik an den Zuständen für Flüchtlinge in Libyen immer lauter geworden ist, setzt die EU unter anderem auf die Evakuierung der Menschen in andere Staaten Afrikas. Teils werden sie dabei in ihre Herkunftsländer zurückgebracht. Wenn das nicht möglich ist, müssen sie in Drittstaaten umgesiedelt werden. Das Verfahren dazu heißt Resettlement und existiert seit Jahren. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bringt auf diese Weise auch Flüchtlinge aus anderen Regionen auf der Welt an sichere Orte.
Weil die Situation in Libyen aber besonders unzumutbar ist, gibt es seit November 2017 ein Programm, um dort festsitzende Flüchtlinge zunächst nach Niger zu bringen: den vorwiegend EU-finanzierte sogenannten Emergency Transfer Mechanism des UNHCR. Aus Niger sollen die Menschen dann in andere Länder weiterreisen, die bereit sind, sie aufzunehmen.
Um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen die Menschen beim UNHCR als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtligskonvention anerkannt und registriert sein. UNHCR-Mitarbeiter befragen die Menschen dazu in der Regel vor der Evakuierung aus Libyen.
Nach Schätzungen halten sich derzeit über 700.000 MigrantInnen in Libyen auf. Rund 54.000 sind beim UNHCR als Flüchtlinge registriert.
Die zweite Voraussetzung ist die Feststellung der sogenannten besonderen Verletzbarkeit. Davon wird etwa bei allein flüchtenden Frauen, bestimmten Erkrankungen oder bei getrennten Familien ausgegangen. Diese Kriterien sind für das Resettlement-Programm des UNHCR weltweit identisch.
Insgesamt elf Staaten haben Kontingente für die Flüchtlinge bereitgestellt, die aus Libyen evakuiert wurden, darunter Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien und Norwegen.
Insgesamt wollen sie 3.781 Menschen aufnehmen: 1.100, die direkt aus Libyen ausgeflogen werden und 2.681, die zunächst nach Niger gebracht werden. Deutschland hat 300 Plätze zugesagt. Es gibt also nur Plätze für weniger als 10 Prozent der in Libyen registrierten Flüchtlinge.
In Niger haben sie den Status von Asylsuchenden. Bevor sie letztlich ausreisen können, muss der UNHCR eines der möglichen Aufnahmeländer ansprechen und ihnen konkrete Flüchtlinge zur Aufnahme vorschlagen. In der Regel entsenden die Länder dann Asylbeamte nach Niamey, die dort noch einmal Interviews durchführen. Die erste Mission von Beamten des deutschen Bamf dazu ist Ende Juli in Niamey angekommen.
Diese gewissermaßen dritte Auswahlrunde kostet Zeit und hat unter anderem dazu geführt, dass die Regierung in Niamey im März die Notbremse gezogen hat: Sie argwöhnte, die Flüchtlinge würden letztlich doch nicht vom Westen aufgenommen und in Niger bleiben. Im Mai wurden die Evakuierungsflüge aus Tripoli nach Niamey aber wieder aufgenommen.
Niger bekommt für diese vorübergehende Aufnahme keine gesonderte Zahlung. Das Land profitiert jedoch stärker als jeder andere afrikanische Staat von der Zusammenarbeit mit der EU in Sachen Migrationsmanagement: Bis zum Jahr 2020 hat die EU mehr als eine Milliarde zusätzlich für das Land bereitgestellt. Hinzu kommt: Dafür, dass der UNHCR die Evakuierten in Niger parken darf, ist ein Teil der 3.781 Plätze für Flüchtlinge reserviert worden, die noch gar nicht in Libyen waren, sondern Niger direkt erreicht haben. (cja)
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