: Hoffen aufs Exil
Jutta Baumwol wird in Israel als „Junge Alija-Aktivistin“ verehrt. Sie war Teil der Hachschara-Bewegung in den 1930er Jahren
„Junge Alija-Aktivistin“ ist die Bildunterschrift eines Fotos von Jutta Baumwol in der internationalen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Das hebräische Alija – wörtlich „Aufstieg“ –, bezeichnet die Ausreise, das Einwandern nach Palästina oder allgemeiner: die Rückkehr der Juden nach Israel. Diese Zeile zum Foto sagt viel über das Selbstverständnis und die spätere Bewertung der Hachschara-Bewegung. Diese entwickelte sich zu einer bedeutenden, aktiven Selbsthilfe der Juden in Deutschland. Besonders in den 30er und 40er Jahren bereiteten sich viele junge Jüdinnen und Juden auf eine Ausreise nach Israel vor. Sie wurden zu Aktivist*innen, denn auf den Hachschara-Landgütern ging es nicht nur um eine berufliche Ausbildung, sondern auch um eine politische Identität.
Die ersten Anfänge solch einer Bewegung, mit dem Ziel, gemeinschaftlich in Palästina zu leben und zu arbeiten, gab es schon während des Ersten Weltkriegs. In Deutschland existierte seit 1923 ein Landesverband der Hechaluz, einer internationalen politischen Bewegung zur landwirtschaftlichen Besiedlung Palästinas. Daraus ging letztlich die Hachschara-Bewegung hervor, doch in Deutschland blieb dieses Engagement zunächst eine Randerscheinung, der Verband hatte lange Zeit nur rund 500 Mitglieder.
Das änderte sich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten: Im Jahr 1934 zählte der Verband 15.000 Mitglieder. Rund 3.500 Jugendliche, viele von ihnen zwischen 15 und 18 Jahre alt, bereiteten sich in den folgenden Jahren auf den Lehrgütern auf eine Ausreise nach Palästina und ein landwirtschaftlich-praktisches Leben dort vor. Die Hachschara-Ausbildung fand meist auf Höfen und in landwirtschaftlichen Einrichtungen statt. Die Jugendlichen lernten Gartenbau und Landwirtschaft, Handwerk, jüdische Traditionen und Hebräisch – als Vorbereitung auf ein gemeinschaftliches Leben im Kibbuz.
Viele aus assimiliertem Elternhaus
Auf den Landgütern waren viele Jugendliche, die eigentlich hätten studieren wollen oder die – als Juden – ihre Ausbildungsstelle verloren hatten. Dies veränderte allerdings auch den zionistischen Charakter der frühen Hechaluz-Bewegung. Viele dieser Jugendlichen hatten vorher keiner jüdischen Jugendorganisation angehört, viele stammten aus bürgerlichen, assimilierten Elternhäusern. Doch da den jüdischen Jugendlichen Schulen und andere Ausbildungswege verwehrt blieben, wurde das Auswandern zu einer realen Perspektive und die Hachschara-Bewegung bekam Zulauf. Die Jugendlichen hofften auf ein Zertifikat der britischen Mandatsbehörde, mit dem sie nach Israel ausreisen konnten. Einige machten sich auch ohne solch ein Zertifikat auf den Weg.
Für viele Jugendliche war das einfache, gemeinschaftliche Leben zunächst ungewohnt. Doch auf den Gütern ging es nicht nur um eine berufliche Ausbildung, die Jugendlichen lernten nicht nur Landwirtschaft und Landbau, sondern erfuhren auch viel über die geografischen und politischen Gegebenheiten in Palästina. Sie feierten jüdische Feste und hielten jüdische Traditionen lebendig oder ließen sie wieder aufleben. Im gemeinschaftlichen Leben auf den Hachschara-Landgütern beschäftigen sie sich damit intensiv mit einer jüdischen Identität – die in ihrem Leben in Deutschland bis dahin nicht unbedingt eine Rolle gespielt hatte. Uta Schleiermacher
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