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Glückwunsch von Daniel Cohn-Bendit„Yes we can“ – mit einer französischen Multikulti­-weltmeister-mannschaft

Frankreich ist Weltmeister. Das ist schöne Tatsache. Na und?, werden jetzt viele in Deutschland sagen. Wir waren es doch schon viermal. Und überhaupt: Wir sind Exportweltmeister.

Das stimmt alles. Und auch dieser Satz stimmt: Was ist schon Fußball?

Und trotzdem konnte ich meine Tränen nach dem Sieg dieser republikanischen Multikultiweltmeisterschaftmannschaft nicht zurückhalten. Es sind Momente, in denen der Begriff „Republik“ eine besondere Bedeutung erhält. Angefangen mit ihm bei dieser WM hat Antoine Griezmann, der nicht nur nach dem Sieg gegen Argentinien „Vive la France“ in die Mikros der TV-Kameras schrie, sondern auch ein „Vive la République“ nachsetzte.

Dann folgte Paul Pogba, als er den Journalisten in die Stenoblöcke diktierte: „Schaut euch diese Mannschaft an, schaut in ihre Gesichter, das ist Frankreich.“ Wer das nicht ergreifend findet, hat kein politisches Herz.

Natürlich werden nun viele sagen, morgen werde alles vorbei sein. Damit wollen sie betonen, dass die Ungerechtigkeiten, die sozialen Probleme, die Ausgrenzungen im Land bleiben werden.

Aber es war schon erstaunlich, wie viele Franzosen an diesem Abend in dieser Nacht feiern wollten. Es schrie aus allen Hälsen: „Yes, we can!“

Dieses Land, egal wo, brauchte anscheinend einen Moment der Freude, der Zuversicht, des Überschwangs und des jugendlichen Wahnsinns. Dieser Moment war Sonntagabend da und in der Nacht darauf nicht minder.

Es sind solche Nächte, die viele nicht vergessen werden. Und sie werden sich denken, in dieser Nacht waren wir stolz, Teil eines republikanischen Multikultilandes zu sein.

Für eine Nacht ist es schon mal ganz gut!

Daniel Cohn-Bendit, 73, vor 50 Jahren Aktivist der 68er-Bewegung in Paris, später Multikultidezernent in Frankfurt am Main und EU-Abgeordneter für die Grünen. Der Franzose und Deutsche, Fan von Eintracht Frankfurt, guckte das WM-Finale mit seiner Frau Ingrid Adler in Paris.

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