tempo 30 : Das kann’s doch nicht gewesen sein
Der Aufschrei der FDP kam erwartungsgemäß postwendend: Wie immer waren die Autolobbyisten die Ersten, die als Folge von neuen Tempo-30-Abschnitten auf Hauptstraßen den ultimativen Dauerstau prophezeiten. Dabei sei Berlins Innenstadt im Vergleich zu anderen Großstädten doch „unterausgelastet und -belastet“. Ja, genau: „unterbelastet“!
KOMMENTAR VON CLAUDIUS PRÖSSER
Zum Glück besitzt die Meinung der FDP keine politische Relevanz in der Stadt. Aber sie hat viele Autofans auf ihrer Seite, für die Tempo 30 auf der Lächerlich- und Lästigkeitsskala weit vor Krötentunneln rangiert. Ihre Argumente kreisen um den Fetisch „Mobilität“. Eine Metropole sei eben „quirlig“, heißt es gerne, und der Individualverkehr eine Art Blutkreislauf, der ungehemmt pulsieren müsse.
Dabei sind die Folgen der Autoflut – schlechte Luft, Unfallgefahren und vor allem Lärm – Gift für eine Stadt, die ihren Bewohnern ja auch attraktive Lebenswelt sein soll. Selbst wer nur in ökonomischen Kategorien denkt, müsste begreifen: Wo Verkehr gezähmt wird, steigt die Aufenthaltsqualität, und wo man sich gerne aufhält, wird auch konsumiert. Ganz einfach.
Gerade weil von den neuen Tempolimits viele auf Straßen liegen, die Wohn- und Einkaufsquartier sind, ist die Maßnahme der Verkehrsverwaltung richtig – und gleichzeitig falsch: weil sie so halbherzig daherkommt.
Ein Tempolimit auf der Kreuzberger Oranienstraße, aber nur zwischen Oranien- und Heinrichplatz – was soll das? Aus derart mutlosen Entscheidungen entsteht ein Flickenteppich, der Anwohnern wenig nutzt und Autofahrer nervt. Vor wenigen Monaten sagte die Senatorin zur taz, sie halte nichts von Tempo-30-Zonen, die „an der nächsten Bezirksgrenze“ endeten – sie wolle ein Gesamtkonzept. Diesem Ziel ist sie kaum näher gekommen.