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Dhakas Schüler protestieren gegen Tod im Verkehr

Nachdem in Bangladeschs Hauptstadt ein rasender Bus zwei Schüler überfahren hat, richtet sich die Wut gegen das dahinter stehende korrupte System. Die Regierung reagiert mit Gewalt

Von Verena Hölzl

Es war Nacht und sie kamen zu Dutzenden. Shahidul Alam schrie und wehrte sich, so erzählen es die Wächter seines Apartmenthauses in Dhaka. Die Männer, die behaupteten, von Bangladeschs Geheimdienst zu sein, zerrten den Fotografen und Menschenrechtsaktivisten in ein Auto und rauschten davon. Der 63-Jährige hatte zuvor dem Sender Al-Dschasira ein Interview gegeben, in dem er sich mit protestierenden Schülern solidarisierte.

Der Vorfall ist die letzte Eskalation in einer sich zuspitzenden Krise, die sich derzeit auf den Straßen der Hauptstadt Dhaka zuträgt und am Wochenende mehr als hundert Verletzte forderte. Seit mehr als einer Woche belagern Zehntausende Jugendliche die Stadt und legen den Verkehr der 15-Millionen-Einwohner-Metropole teilweise lahm.

„Die Situation hat sich in den letzten Tagen drastisch verschlechtert“, schrieb der Student Arif der taz per WhatsApp. Am Wochenende setzten Polizisten Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten ein, auf die auch regierungsnahe Schlägertrupps eindroschen.

Entzündet hat sich der Konflikt am Tod zweier Schüler, die am vorletzten Sonntag von einem rasenden Bus überfahren worden waren. Die jungen Bang­ladescher fordern, dass es solche Verkehrstote künftig nicht mehr geben darf. Spätestens als der Transportminister die Schüler öffentlich lächerlich machte, statt auf ihre Forderungen einzugehen, nahmen die Proteste Fahrt auf.

Dhaka ist berüchtigt für seinen gesetzlosen Straßenverkehr. Die Zahl der Verkehrstoten hat in den letzten Jahren auf inzwischen 20 pro Tag stetig zugenommen. Doch jetzt geht es um mehr als nur um Sicherheit im Straßenverkehr. Für den Bangladescher Mohammad Ashrafuzzaman von der Asian Human Rights Commission könnte dies der Anfang eines Volksaufstandes gegen die regierende Awami League von Premierministerin Sheik Hasina sein, deren Regierungsmacht weitgehend nicht als demokratisch legitim gilt. „Die Sicherheit im Straßenverkehr in Bangladesch ist das reinste Mafia-Business“, erklärt er aus dem Exil in Hongkong. „Führerschein- und Lizenzbehörden, die Polizei, die Regierung – alle sind sie in ein korruptes System verstrickt.“

Für die Jugendlichen handele es sich deshalb nicht bloß um einen Unfall, sondern um Mord. Auf eigene Faust kontrollierten Schüler schon letzte Woche Führerscheine und Zulassungspapiere von Auto- und Busfahrern. „So geordnet hat man Dhakas Straßen noch nie gesehen“, sagt Ashrafuzzaman.

„Es wurden sogar Rettungsgassen freigelassen“, berichtet der Student Sumit der taz telefonisch von seinem Zuhause im Stadtteil Bashundhara aus. Der 25-Jährige will so bald wie möglich in das Haus eines Freundes in einen sichereren Stadtteil ziehen. Er ist seit fast einer Woche auf der Straße.

„Ich habe gesehen, wie die Polizei meinen Kumpel verprügelt hat. Welche Regierung reagiert so auf einen friedlichen Protest von Schülern?“, fragt er. Sumit glaubt, dass die Regierung vor den Wahlen im Dezember Angst hat. Seit ein paar Tagen ist in manchen Stadtteilen Dhakas deshalb sogar zeitweise das mobile Internet lahmgelegt. „Ich bin sauer, aber vor allem bin ich traurig“, sagt Sumit.

„Verkehrssicherheit in Bangladesch ist Mafia-Business“

M. Ashrafuzzaman, Asian Human Rights Commission

Mindestens fünf Journalisten wurden von mutmaßlichen Regierungsaktivisten attackiert, darunter ein AP-Fotograf, der ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. „Die Behörden müssen gewährleisten, dass alle Journalisten, die die Proteste begleiten, ohne Angst vor Attacken oder Verhaftungen arbeiten können“, forderte in Washington Steven Butler. Der Asien-Direktor des Komitees zum Schutz von Journalisten verlangte die sofortige Freilassung des Fotografen Shahidul Alam.

Die bangladeschischen Geheimdienste sind dafür berüchtigt, unbequeme Gegner wie Alam verschwinden zu lassen. Die Regierung leugnet die ungesetzmäßigen Verhaftungen in der Regel. Im Juli wurden bereits Aktivisten der Opposition sowie ein Anführer von Studentenprotesten verhaftet.

Die bangladeschische Menschenrechtsorganisation Odhikar zählte im ersten Halbjahr 2018 20 solcher Verhaftungen und warnte in ihrem letzten Bericht von Anfang August davor, dass die Zahl zunehmen könnte. Im Dezember stehen Parlamentswahlen an. „Extreme Unterdrückung wird zu extremem Widerstand führen“, ist sich der Menschenrechtler Mohammad Ashrafuzzaman sicher. „Und wir haben erst August.“

Am Montag beschloss das Kabinett härtere Strafen für Verkehrssünder. Die Höchststrafe wurde auf fünf Jahre ohne Bewährung angehoben.

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