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Eins, zwei, wer wird denn jetzt Kapitän bei Sky?

Der britische Rennstall übernimmt die Führung der Tour. Er zeigt sich dabei elastischer als sonst. Und vordergründig einig in der Kapitänsfrage

Aus Alpe d’Huez Tom Mustroph

Normalität ist wieder eingekehrt bei der Tour de France. Die Zeit des Geplänkels, als sich Sprinter wie Fernando Gaviria und Peter Sagan ums gelbe Leibchen stritten, ist vorbei. Gelb ist wieder im Besitz von Team Sky. Doppelt sogar sind die Sky-Mannen vorn. Das erinnert an die Tour 2012. Damals waren ab der 11. Etappe ebenfalls zwei Sky-Mannen vorn – Bradley Wiggins und Chris Froome. Wiggins, damals Kapitän, war schon ein paar Tage früher in Gelb gelangt, auf dem Plateau des ­Belles Filles. Die Etappe damals war der erste große Paukenschlag des Chris Froome. Er hatte mit scharfem Antritt alle abgehängt, auch seinen Chef Wiggins. Jetzt ist er der Chef, und er wurde von seinem Helfer auf der Etappe abgehängt. Geschichte wiederholt sich. Ins gelbe Leibchen kam er damals nicht, weil er auf der ersten Etappe durch einen Defekt Zeit verlor. In diesem Jahr verlor er Zeit durch einen Sturz und liegt deshalb hinter seinem Teamkollegen Thomas zurück.

Die Karten sind jetzt allerdings anders verteilt. Froome ist der Chef und Thomas nur der Platzhalter. Das betont der Waliser selbst: „Ich hoffe, so lange wie möglich auf dem Podium zu bleiben. Wir sind aber nicht für einen Podiumsplatz hierher gekommen, sondern für den Toursieg. Chris hat viel mehr Grand-Tour-Erfahrung. Er ist der Kapitän.“

Ressourcen für Froome

Auch Nicolas Portal, sportlicher Leiter von Sky, legte sich gegenüber der taz fest: „Geraint hat ein klasse Rennen geliefert. Er hat eine freie Rolle. Unsere Ressourcen konzentrieren wir aber auf Chris. Er ist der Mann, mit dem wir die Tour gewinnen wollen.“

Bei so viel Klarheit muss Froome seine Vormachtstellung gar nicht mehr selbst verbal herausstellen. „Wir sind als Team sehr gut gefahren, alles hat gepasst. Und Geraints Attacke war klug, genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe ihn deshalb auch vom Rad gelassen. Die anderen mussten nun arbeiten“, lautete ­Froomes Analyse des wilden Finales am Anstieg von La Rosière.

Sky lieferte dort eine beeindruckende Leistung. Die Truppe modifizierte aber ihre Taktik, und sie zeigte sich auch veränderten Rennsituationen gewachsen. Das ist eine neue Qualität. Sky ist elastischer, insgesamt vielleicht – auch wenn das paradox klingen mag – ein wenig schwächer. Denn erstmals seit dem Aufstieg von Sky zur Supermacht auf Frankreichs Straßen ließ der Rennstall gleich zwei wichtige Konkurrenten entweichen, erst den Spanier Alejandro Valverde, dann den Niederländer Tom Dumoulin. Unklar ist, ob Sky nicht wollte – oder nicht konnte. „Wir wollten nicht zu viel Kräfte in die Verfolgung investieren und als Team ausbrennen. Es war eine taktische Entscheidung“, sagte Cheftaktiker Portal.

Im Finale dann reichte die Kraft der Sky-Domestiken nicht aus, um die Angriffe der Konkurrenz zu ersticken. Wout ­Poels, Michał Kwiatkowski, Egan Bernal: Die ganze Helferriege feuerte aus allen Rohren und blieb lange vor Erreichen des letzten Gipfels erschöpft am Straßenrand zurück.

In dieser Situation erst trat der Co-Chef Thomas an. Und erst eine der folgenden Attacken des Iren Dan Martin ermöglichte es Froome, sich mit einer erneuten Beschleunigung von seinen Rivalen zu entfernen. Thomas reagierte im Angriffsmodus auf die Situation, Froome mit einer Konterattacke – ein neues Muster. Es unterscheidet sich vom schablonenhaften Watt-Fahren, das, wenn die Konkurrenz kaputt ist, mit einem Antritt von Froome gekrönt wird.

Hilfslokomotiven erschöpft

Jetzt waren die Hilfslokomotiven von Sky ausgebrannt. Die Chefs waren immerhin stark genug, um für einen kompletten Triumph zu sorgen.

Ein wenig Hoffnung bleibt für die Rivalen. Alle waren am Limit, auch die Sky-Fahrer. Das macht den Ausgang für die kommenden Tage etwas ungewisser.

Und sollte sich Team Sky in der Kapitänsfrage doch nicht so geschlossen zeigen wie am großen Tag in den Alpen behauptet, dann haben die Rivalen weitere Chancen. Dann also, wenn Thomas selbst den Platz an der Sonne sucht.

Er ist schon 32, ein Jahr jünger nur als Froome. Wie lange will er noch warten auf den großen Erfolg? Wie nah wird er ihm jemals wieder kommen?

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