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Solidarischer Landgang

Landwirtschaft ist ein hartes Geschäft. Die Ökonauten investieren in eine Stärkung kleinteiliger Strukturen. Auch das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft arbeitet an naturnahen Lösungen für den globalisierten Markt

Von Alina Schwermer

Vivian Böllersen, eine junge Landwirtin aus Berlin, hat auf 4,4 Hektar in Velten bei Oranienburg eine Walnussanlage etabliert. Rund 30 verschiedene Walnusssorten sollen einen ökologisch bewirtschafteten Walnusshain bilden. Ihr Traum wurde möglich, weil die Bürgergenossenschaft Ökonauten eG ihr die Fläche gekauft hat. Auch Anja und Janusz Hradetzky am Nationalpark Unteres Odertal in Brandenburg träumten von einer besseren Landwirtschaft. Jetzt führen sie den Mitgliedshof Stolze Kuh mit rund 90 Kühen. Die Ökonauten eG unterstützte mit einem Darlehen.

Die Ökonauten sind eine Bürgergenossenschaft; finanziell und ideell gemeinsam in Wandel investieren, das ist ein relativ neues Pflänzchen im landwirtschaftlichen Bereich. „Wir wollen den Kontakt zwischen Konsumenten und Landwirten verstärken“, sagt Gründungs- und Vorstandsmitglied René Tettenborn. „Es ist ein wunderbares Gefühl, Landwirtschaft direkt zu gestalten.“ Die Genossenschaft lebt von zwei Seiten: BürgerInnen, die ökologische Landwirtschaft unterstützen wollen, geben eine Einlage von mindestens 500 Euro. Und LandwirtInnen können sich an die Genossenschaft wenden, um mit ihrer Hilfe Land zu erwerben oder Darlehen zu bekommen. Die neue Fläche gehört der Genossenschaft, der Landwirt ist langfristiger Pächter. „Wir sind Übersetzer zwischen Landwirten und Bürgern“, so Tettenborn. Es ist eines von vielen deutschen Basisprojekten für eine neue Landwirtschaft. Mit Gründen.

Zwischen 2.000 und 3.600 Euro kostete vor rund zehn Jahren ein Hektar Land im Osten Deutschlands. Mittlerweile seien es zwischen 15.000 und 22.000 Euro, so vermeldet es der Verein Bündnis Junge Landwirtschaft e. V. Die Bodenpreise sind explodiert. Land-Grabbing heißt indes das Phänomen, bei dem große Landflächen aufgekauft werden. Im deutschen Osten ist die KTG Agrar SE ein solcher Player mit nach eigenen Angaben 42.000 Hektar Ackerland. Der durchschnittliche Bauer besitzt 56 Hektar. Und als Folge erhöhen sich die Pacht- und Kaufpreise für Land drastisch; Bauern und Jungbauern haben oft keine Chance, neues Land zu erwerben. Besonders im Osten der Bundesrepublik ist das wegen der großteiligen Strukturen ein Problem.

„Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, haben meist nur die Wahl, entweder die Natur oder sich selbst auszubeuten“, konstatiert das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Auch in dem Netzwerk arbeiten Engagierte an kleinteiligen, naturnahen Lösungen für den hoch globalisierten, harten Markt. Und wurden fündig. Unter dem Kürzel SoLaWi hat es solidarische Landwirtschaft zu Aufmerksamkeit gebracht. Bürger unterstützen dabei einen Solidarhof mit einem monatlichen Festbetrag. Dafür bekommen sie die gesamte Ernte des Hofes geliefert. „Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst“, erklärt das Netzwerk. Und schafft mehr Unabhängigkeit von Weltmarktpreisen. Mittlerweile soll es 191 deutsche Solidarhöfe ­geben.

Genossen im Fairen Handel

Landwirtschaft und genossenschaftliche Organisation finden auch im globalen Handel zusammen. So haben entwicklungspolitisch interessierte Personen, die sich im Ravensburger Dritte-Welt Laden und in der Region Oberschwaben engagiert hatten, 1988 zunächst die dritte-welt partner GmbH gegründet. Diese wurde 2005 in die dwp eG Fairhandelsgenossenschaft umgewandelt. Das Argument: Die Rechtsform einer Genossenschaft passe perfekt dazu, wie man Fairen Handel verstehe und betreibe. Die Genossenschaft pflegt partnerschaftliche Kontakte bewusst überwiegend mit ebenfalls genossenschaftlich organisierten Kleinbauerngruppen in den Ländern des Südens. Die dwp ist die einzige Genossenschaft in Deutschland, die alle Mitglieder der Kette des Fairen Handels vereint. Weitere Mitglieder werden weiterhin gesucht.

Trotz aller Unterstützung haben es die kleinen Betriebe schwer, auf dem Markt zu bestehen. Und: „Es gibt noch viel Erklärungsbedarf“, so René Tettenborn von der Ökonauten eG. Etwa LandwirtInnen, die befürchten, jetzt stünden täglich Genossenschaftsmitglieder auf ihrem Acker. Und andere, die sich mit dem Basisdenken schwertun. „Es ist nicht leicht für die Landwirte, aus dem ‚Big is beautiful‘ rauszukommen. Sie stehen oft unter großem Druck, beispielsweise müssen sie Kredite für Maschinenparks oder Gebäude tilgen und Zinsen zahlen.“

Dabei ist die Zahl von Genossenschaften in der deutschen Landwirtschaft hoch. Der Genossenschaftsverband spricht von mehr als 1.000 in der Landwirtschaft tätigen Mitglieds­genossenschaften mit insgesamt 133.606 Mitgliedern und 33.576 Beschäftigten. 2017 hätten sie einen Gesamtumsatz in Höhe von 19,7 Milliarden Euro, und damit eine Steigerung von 10 Prozent, erwirtschaftet. In Kernbranchen wie der Molkerei sind sogar rund zwei Drittel der Betriebe genossenschaftlich organisiert. „Unsere Mitglieder haben ganze Arbeit geleistet und ihre ohnehin bedeutende Marktposition in einem immer stärker globalisierten Wettbewerb weiter gefestigt“, vermeldete der Vorstandsvorsitzende Ralf W. Barkey.

Längst nicht alle Genossenschaften aber stehen für ökologische Landwirtschaft und Basisdemokratie. Die Agrar­genossenschaften etwa, die sich vor allem im Osten als Nach­folger der alten Produktions­genossenschaften der DDR finden, seien teils riesige, hierarchische Komplexe, die mehr als 1.000 Hektar Land bewirtschafteten. „Der Grundgedanke der Genossenschaft geht da teilweise ein bisschen verloren“, kritisiert René Tettenborn von den Ökonauten. Dort ist man mittlerweile bei 120 Mitgliedern. Und mit langsamem Wachstum zufrieden.

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