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Die Stürmerinnen

Erstmals seit fast vierzig Jahren durften sich in Teheran Frauen ein Männer-Fußballspiel anschauen. Der Erfolg der iranischen Frauen vom Mittwoch beweist, wie stark und wie demokratisch Fußball ist. Und dass man dafür kämpfen muss

Von Martin Krauß

Sie wollen nur Spiele. Sie wollen Fußball schauen, am Fußball leiden, beim Fußball jubeln. Sie kämpfen für das Menschenrecht, öffentliche Plätze zu betreten, zum Beispiel ein Stadion.

Am Mittwochabend haben iranische Frauen in Teheran mit einem Sitzstreik erreicht, dass sie ins Azadi-Stadion gehen durften, um sich dort auf einer Großbildleinwand das Spiel Iran gegen Spanien (0:1) anzusehen. Andere iranische Frauen waren in das über 2.000 Kilometer entfernte Kasan gereist. Einfach, um im Stadion dabei zu sein.

Protestplakate gegen das iranische Stadionverbot für Frauen hängen in allen WM-Stadien. Besonders viele, wenn der Iran spielt. Via Fernsehen sind sie in der ganzen Welt zu sehen. Und der Hashtag #NoBan4Women geht so sehr viral, dass sogar die Fifa die Proteste in den Stadien für legal erklären musste. „Soziale Forderungen“ seien das, keine „politischen“, hat die Fifa kleinlaut mitgeteilt, um ihre Lebenslüge, Fußball (und erst reicht sein Weltverband) sei unpolitisch, nicht ganz verleugnen zu müssen.

Der Erfolg im Teheraner Azadi-Stadion ist der vorläufige Höhepunkt eines seit Jahrzehnten dauernden Kampfes. Kurz nach der Islamischen Revolution wurde gegen Frauen ein Stadionverbot verhängt. Die Mullahs, die den Frauen das Kopftuch vorschreiben, wollen nicht, dass sie dort kurzhosige Männer erleben.

Noch im März dieses Jahres waren 35 Iranerinnen vom Regime aus dem Stadion an einen „sicheren Platz“ verbracht worden. Oft haben Frauen versucht, in Stadien zu gelangen, indem sie sich als Männer verkleiden. Einige landeten dafür im Gefängnis.

Bis zum Schluss, bis zum Mittwochabend, hatte sich das Mullah-Regime gegen die Forderung der Frauen gewehrt. Weil es am Vortag geheißen hatte, Familien dürften gemeinsam im Azadi-Stadion die Liveübertragung schauen, gingen 20.000 Tickets weg. Doch drei Stunden vor Anpfiff verkündete die offizielle Nachrichtenagentur Tasnim, das Spiel werde „wegen infrastruktureller Schwierigkeiten nicht im Azadi-Stadion übertragen“.

Viele Menschen gingen doch hin, sie setzten sich vor die Eingänge, tröteten auf Vuvuzelas, diskutierten mit Polizisten, und mit ihren Smart­phones trugen sie ihren Protest in die Welt hinaus. Erfolgreich. Eine Viertelstunde vor Anpiff betraten sie das Azadi-Stadion, stolz und selbstbewusst.

Was den Kampf der iranischen Frauen so groß macht, größer als den bloßen Besuch eines Public-Viewing-Events, ist, dass er mit Macht den urdemokratischen Anspruch deutlich gemacht hat: Wir sind hier, wir dürfen hier sein, uns schiebt keiner weg.

Das ist auch mehr als nur eine iranische Sache. Die gesamte Geschichte des Sports war – und ist – ein Kampf um Teilhabe. Mitte des 19. Jahrhunderts durften nur weiße Gentlemen sporteln – keine Frauen, keine Arbeiter, ganz viele soziale Gruppen waren ausgeschlossen. Doch immer mehr haben diesen Kampf geführt, und zu Ende ist er immer noch nicht.

Gegen ihre Verbannung aus dem öffentlichen Raum protestieren auch – zunehmend erfolgreich – etwa Frauen in Saudi-Arabien. Auch das Kopftuch wird immer häufiger abgelegt: zunächst in Sälen und anderen geschlossenen öffentlichen Räumen, dann im Stadion, das in jedem Regime als relativer Freiraum fungiert – und dann hoffentlich bald in der gesamten Gesellschaft.

So gesehen, sind die Kämpfe der iranischen und der saudischen Frauen kompatibel zu den Kampagnen gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen Homophobie und gegen all die anderen Ideologien, die Menschen von Menschenrechten fernhalten wollen.

Ausgerechnet der Iran, ausgerechnet in Russland beweist der Fußball seine politische Sprengkraft, sein unglaubliches Potenzial. Die Pointe: Er kann das, weil er Sport ist. Weil nämlich das Menschenrecht, das jeder Mensch, aktiv oder passiv, überall mitmachen darf, ganz unmittelbar aus dem Sport erwächst. Und im Sport erkämpft werden muss.

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