: Polizisten werden Kameraleute
Schleswig-Holsteins Polizei startet einen Pilotversuch mit Bodycams – und hofft aus deeskalierende Wirkung
Bei dem Einsatz auf der Kieler Woche werden Schleswig-Holsteins Polizisten erstmals sogenannte Bodycams tragen. „Die Bodycam soll die Kollegen vor Übergriffen schützen“, sagte Polizeidirektor Axel Behrends am Donnerstag bei der Vorstellung des Pilotprojekts. Die Kameras sollen dem polizeilichen Gegenüber „den Spiegel vorhalten“. Die Landespolizei erhofft sich von dem Einsatz der Technik in Konfliktsituationen mit Beamten einen deeskalierenden Effekt.
Die Polizei Schleswig-Holstein hat 40 der kleinen Kameras angeschafft – Kostenpunkt insgesamt 40.000 Euro. Beamte in Kiel, Lübeck und von der in Eutin stationierten Einsatzhundertschaft sollen die Bodycams künftig nutzen.
Die Kameras kommen in diesem Sommer aber nicht nur auf dem größten Sommerfest Nordeuropas in Kiel, also der Kieler Woche, sondern auch auf der Travemünder Woche und beim Wacken-Open-Air zum Einsatz, so der Plan.
Die Kameras, die die Polizisten mit sich führen, nehmen das Geschehen nicht die ganze Zeit auf. Schalten Polizisten auf Stand-by, zeigt ein Frontbildschirm das von der Kamera erfasste Geschehen. Das heißt: Im Konfliktfall soll die Kamera auf diese Weise signalisieren: „Bleibe auf Distanz, du wirst gefilmt, wenn du uns angreifst“, sagte Projektleiter Behrends am Donnerstag. Startet der Beamte die Aufnahme, werden automatisch auch die 30 Sekunden davor gespeichert. Optische und akustische Signale weisen die Umstehenden auf die Aufzeichnung hin.
Auf Demonstrationen soll nicht gefilmt werden
Aufnahmen sollen aber nur im öffentlichen Raum, in Kneipen, Einkaufszentren oder im Bus und der Bahn, nicht aber in Privatwohnungen oder auf Demonstrationen erfolgen. Die Kamera nimmt hochauflösende Bilder und Ton auf. Werden die Aufnahmen nicht als Beweismittel gebraucht, sollen sie nach drei Tagen automatisch gelöscht werden.
„Wir hoffen, dass damit die Gewalt gegen Polizeibeamte reduziert wird“, sagte Behrends. Allein im vergangenen Jahr seien in Schleswig-Holstein 374 Polizisten im Dienst verletzt worden. Auf Volksfesten wie der Kieler Woche schlage der eine oder andere Besucher über die Stränge. „Das sind Situationen, wo es immer wieder zu Konflikten mit den Kollegen kommt.“ Deshalb sei er froh, dass das auf ein Jahr ausgelegte Pilotprojekt nun starten könne. Es wird begleitet von Schleswig-Holsteins Datenschützern.
Innenstaatssekretär Torsten Geerdts (CDU) sprach von einem wichtigen Mittel zum Schutz der Polizei. Die Politik finde sich nicht damit ab, dass jedes Jahr Hunderte Polizisten im Rahmen ihrer Arbeit selbst Opfer von Gewalt werden. „Wer weiß, dass seine Attacke auf Video aufgezeichnet würde, der hat eine höhere Hemmschwelle“, glaubt Geerdts. Deshalb wirkten Kameras deeskalierend.
Die Polizei in Hamburg, Niedersachsen und weiteren Bundesländern testet ebenfalls den Einsatz der sichtbar im Einsatz getragenen kleinen Bodycams und zwar mit ganz ähnlichen Begründungen. Schleswig-Holsteins Grünen-Landtagsabgeordneter Burkhard Peters sagte aber, „bislang ist der Nutzen von Bodycams nicht hinreichend gesichert“. Pilotprojekte anderer Länder zeichneten kein klares Bild. In Nordrhein-Westfalen sei beispielsweise bisher keine deeskalierende Wirkung erkannt worden. (dpa)
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