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„Wir sind nicht die Therapeuten der Sozialdemokratie“

Der frühere „Spiegel“-Journalist Horand Knaup hat an der Analyse der SPD-Schlappe mitgeschrieben. Im Interview sagt er: Mitarbeiter der Parteizentrale seien wegen ständiger Führungswechsel frustriert

Foto: imago

Horand Knaup arbeitete bis 2017 im Hauptstadtbüro des Spiegels und berichtete über die SPD.

Interview: Stefan Reinecke

taz: Herr Knaup, warum hat die SPD die Wahl 2017 so katastrophal verloren?

Horand Knaup: Den einen Grund gibt es nicht, sondern ein Bündel von organisatorischen Mängeln und inhaltlichen Unklarheiten.

Die Studie beschreibt chaotische Abläufe im Willy-Brandt-Haus. Was muss sich ändern?

Die Parteizentrale muss kampagnenfähig werden. Dafür braucht es eine neue Kommunikationsstruktur.

Es wird zu autoritär geführt?

Nein, aber nicht zielstrebig genug. Alle Mitarbeiter haben hier engagiert angefangen, aber bei vielen ist das Engagement verloren gegangen.

Warum?

Unter anderem gab es zu viele Führungswechsel. Was man für die eine Führung erarbeitet hatte, hat die nächste nicht mehr interessiert. Es gab zu wenig Verzahnungen, auch zwischen den Ebenen und Abteilungen.

Ist das der Kern? Oder weiß die SPD einfach nicht mehr, für wen sie spricht?

Mitentscheidend war, dass die SPD in zentralen Fragen – Verteilung und Gerechtigkeit – 2017 nicht erkennbar war. Steuerpolitik spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle. Martin Schulz hat das Thema Gerechtigkeit am Anfang ins Zentrum gerückt – und dann zu wenig unterlegt. Ab Mai kam gar nichts mehr zu Gerechtigkeit. Es fehlt zudem eine erkennbare Erzählung, was die zusehends fragmentierte Gesellschaft künftig zusammenhalten soll.

Gab es Vorgaben für die ­Studie vonseiten der SPD?

Nein, keine Fesseln, keine Vorgaben. Wir hatten alle Freiheiten. Einige haben nach der Lektüre zwar geschluckt. Geändert wurde nichts. Es gab auch keinen Versuche, das zu tun.

Die Analyse zitiert den Parteienforscher Richard Hilmer, der sagt: Die SPD wendet sich an aufgeklärtes Bürgertum, aber nicht an die Verunsicherten. Kann die SPD diese Schichten wieder erreichen?

Wenn, dann mit dem Thema Gerechtigkeit – und zwar mit deutlichen Symbolen und nicht mit Detailforderungen. Genauso wichtig ist der Habitus. In der Partei dominiert der Typus des Beamten und Akademiker, der eine andere Sprache spricht als die Abgehängten.

Die Studie trägt den pädagogisch anmutenden Titel: „Aus Fehlern lernen“. Verstehen Sie sich als Diagnostiker oder als Therapeuten?

Wir sind nicht die Therapeuten der SPD. Die Therapie muss die Partei mit sich selbst aus­machen.

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