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Operation Klang

Das „Klangteppich. Festival für Musik der iranischen Diaspora“ interessiert sich vor allem für die Gegenwart. An zwei Konzertabenden präsentieren die eingeladenen Künstler*innen Musik jenseits gängiger Weltmusikkontexte

Von Stephanie Grimm

Am Anfang stand für Franziska Buhre, Initiatorin von „Klangteppich. Festival für Musik der iranischen Diaspora“ die Faszination für den besonderen Klang. Die Lesern dieser Zeitung als jazzaffin bekannte Journalistin begann, Konzerte mit persischer Musik zu besuchen, und war angetan von dem Instrumentarium: von der Tar zum Beispiel, einer Langhalslaute, oder auch der Kamantsche, einer Stachelgeige mit warmer Klangfarbe. Ihre Lieblingsklang allerdings kam von der Rahmentrommel, auch Daf genannt.

Eindrucksvoll fand sie zudem, wie die Instrumente gespielt wurden – und wollte, so erklärt sie, mehr darüber herausfinden, „wie diese Musik funktioniert“. Die tollsten Konzerte seien die gewesen, bei denen nicht von Notenblättern abgespielt wurde. „Das fasziniert mich an der klassischen persischen Musik. Man kann beim Hören verfolgen: wie wird es aufgebaut, verziert und zum Thema zurückgeführt. Das – auch wenn die Musiker natürlich trotzdem auf gelernte Systeme zurückgreifen – finde ich an dieser Musik schon spe­ziell.“ Mit dem Festival will sie, jenseits gängiger Weltmusikkontexte, vor allem Menschen ansprechen, die gern Livemusik hören. „Mich interessiert gegenwärtiges Musikschaffen.“

Stellt sich die Frage, in welchen Zusammenhängen das genau stattfindet. Schließlich ist die Situation von Musikern, besonders aber von Musikerinnen in Iran nicht einfach. Nicht umsonst trägt das Festival die Diaspora im Titel, der Begriff weckt auch Assoziationen an Exil, an traumatische Zäsuren.

Nach der sogenannten Islamischen Revolution war westliche Musik zum Beispiel komplett verboten. Heute wird das entsprechende, absurd anmutende Regelwerk angesichts der schwelenden Kulturkämpfe in Iran mal strenger, mal weniger streng ausgelegt. Weder mit populärer noch mit traditioneller Musik gibt es einen einheitlichen Umgang. Auch wenn Frauen zum Beispiel nur vor einem weiblichen Publikum auftreten dürfen, gäbe es, so erklärt Buhre, „inoffizielle Wege, mit Frauenstimmen zu arbeiten – auch wenn das vorher anders eingereicht wurde bei der Behörde“.

Trotzdem: Die Bedingungen, unter denen iranische Musikschaffende arbeiten – hiesigen Zuschauern vielleicht in Gestalt des Dokumentarfilm „Raving Iran“ schon begegnet, auch wenn teils wohl berechtigte Kritik an dem Film aufgrund des „europäischen Blicks“ und inszenierter Szenen gab, die auf dramatische Zuspitzung setzen, statt die realitätsnäheren Grautöne im Alltag auszumachen – sind schwierig. „Zum Beispiel ist es mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, Konzerte auf die Beine zu stellen“, erläutert Buhre. Weil oft bis kurz vor Beginn nicht klar sei, ob es wirklich genehmigt wird. Förderstrukturen gibt es auch keine.

Kurzum: Es gibt für Musiker*innen viele Gründe, außerhalb des Landes ihr Glück zu suchen. Doch Franziska Buhre will die Schwierigkeiten für Kulturschaffende in Iran nicht unbedingt als Schnittmenge der im Ausland lebenden Musiker sehen. Eher sieht sie als gemeinsamen Hintergrund, als geteilte Erfahrungswelt, die Kriegserfahrungen, die viele der Musiker*innen bereits als Kinder in den 1980er Jahren durch den Ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak gemacht haben. „Zudem verlassen viele junge Männer das Land, um nicht zur Armee zu müssen.“ Die Brücken in die Heimat seien jedoch meist nicht abgebrochen: „Ich bin immer wieder beeindruckt, wie man weltweit vernetzt ist. Es gibt für Iraner im Ausland immer noch viele Verbindungen nach Hause.“

Auf künstlerischer Ebene geht es den Musiker*innen hierzulande nicht nur die Pflege einer durch die Kulturpolitik in Iran bedrohten Tradition, sondern auch um die künstlerische Auseinandersetzung mit der neuen Umgebung. „Ich erlebe beides“, erklärt Buhre: „Dass es wichtig ist, durch die Praxis der klassischen persischen Musik an den eigenen Hintergrund anzudocken. Aber auch, dass Musiker nicht auf diese Schublade festgeschrieben bleiben wollen und sich in andere Kontexte begeben.“

Für neue Zusammenhänge bietet auch das Festival Anstöße. Die Küns­tle­r*in­nen setzen nicht auf ihr etabliertes Repertoire, sondern suchen neuen Projekte und Kollaborationen, teils ange­sto­ßen vom künstlerischen Leiter des Festival, Ali Choolaei (der zudem mit seiner Tar auftreten wird) und Buhre.

Einzig das zwischen Dreampop und Elektronik arbeitende Duo Pari San – bestehend aus der in Teheran geborenen, in Düsseldorf aufgewachsenen Jazzsängerin Parissa Eskandari und dem Beatboxer und Sounddesigner Paul Brenning – hat vorher schon zusammengearbeitet, im September wird ihr Debüt „R.I.P. Identification“ erscheinen. Die anderen Künstler, je vier Auftritte wird es an beiden Abenden geben, bewegen sich auf neuem Terrain. Am ersten Tag wird der Fokus auf Akustisch-Klassischem und dem Erzählen von Geschichten liegen. „Ich freue mich auf die vielen Sprachen, die zu hören sein werden“, so Buhre. So wird sich der Auftritt der Tar-Spielerin Elshan Ghasimi mit einem zoroastrischen Schöpfungsmythos beschäftigen, dazu gibt es an die Wand projizierte Sandmalereien der Animationskünstlerin Neda Ahmadi. Am zweiten Tag stehen dann eher elektronische Sounds auf dem Programm. Da wird etwa der klassische Per­kus­sio­nist Jawad Salkhordeh seine Zusammenarbeit mit dem Soundtüftler Oliver Doe­rell – unter anderem bekannt durch Dictaphone, Swod oder auch sein Soloprojekt Cummi Flu – vorstellen. Und die Klangkünstlerin und studierte Molekularbiologin Farahnaz Hatam, Mitgründerin des legendären Neuköllner Kunstraums N.K., wird diesmal nicht mit ihrem langjährigen kreativen Partner, dem Schlagzeuger Colin Hacklander, auftreten, sondern die in klassischem persischen Gesang ausgebildete Sängerin Hani Mojtahedy – die allerdings auf Kurdisch singt – mit Electronics begleiten. Klingt, als könnten hier wirklich neue Synergien und Anknüpfungspunkte entstehen.

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