geht’s noch?
: #MerkelsTote

Mordfall Susanna F.: Wenn sich die Titelbilder optisch nicht mehr von neurechten Hetzern unterscheiden, werden die Medienmacher ihrer Verantwortung nicht gerecht

Eigentlich versucht der Stern ja, mit Titelgeschichten über die Heilkraft der Natur und Exklusivinterviews zu Boris Beckers Scheidung Donnerstag für Donnerstag Leser anzuziehen. So weit, so seicht. Doch dann und wann soll es bitte ein politischer Titel sein. In dieser Woche entschied man sich dafür, den Mord an der 14-jährigen Susanna F. durch einen abgelehnten irakischen Asylbewerber damit zu verbinden, ein „Ende von Merkels Flüchtlingspolitik“ auszurufen.

Herausgekommen ist ein Cover, das den Stern aussehen lässt wie das neurechte Kampfblatt Compact. Dessen publizistische Nische ist es, für Pegida, AfD und Co eine Welt zu imaginieren, in der Deutschland wegen marodierender Flüchtlingshorden kurz vor dem Zusammenbruch steht und Angela Merkel an allem Elend dieser Welt schuld ist. Auf dem aktuellen Stern-Cover sieht man nun unter einem Profilbild von Susanna F. einen lang gezogenen Flüchtlingstreck. Die untere Hälfte des Titels füllt ein Porträt von Merkel, diabolisch in Rot ausgeleuchtet.

Mit der Zusammenstellung illus­triert der Stern einen Hashtag, der immer dann durch rechte Filterblasen im Netz rauscht, wenn Flüchtlinge mit Verbrechen in Verbindung gebracht werden: #MerkelsTote. Dass die Texte im Heft teils differenzierter sind, es auch einen Zwischenruf gibt, der darauf hinweist, dass das Leben in Deutschland noch nie so sicher war wie heute – geschenkt. Gegen die Suggestivkraft der Bilder kommen sie nicht an.

Nur wenig subtiler titelt die Zeit, die unter ein Bild von Susanna F. schreibt: „Ein Mord, der etwas verändern muss“ – es ist eine Forderung, die genauso vom rechten Stammtisch kommen könnte, wo das diffuse „Etwas“ schnell mit „Alle Ausländer raus“ gefüllt wird. Das dreiseitige Zeit-Dossier über den Mordfall ist dagegen gut recherchiert, differenziert und meilenweit von der plumpen Stimmungsmache des Titels entfernt.

Es geht hier ja nicht darum, dass über einen Mord, den ein Flüchtling gestanden hat, nicht berichtet werden darf. Es geht auch nicht darum, dass Probleme mit Zuwanderung nicht offen diskutiert werden sollen. Es geht darum, in welcher Form das geschieht. Seriöse Medien, die sich optisch nicht mehr von neurechten Hetzern unterscheiden und Angstfantasien einer schrillen Minderheit, die sich für die schweigende Mehrheit hält, mit Titelbildern adeln, werden schlicht ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie bilden nicht ab, was ist – sie werden zu einer treibenden Kraft dessen, was wir in diesen Tagen erleben: eines krassen Rechtsrucks. Jan Pfaff