Reservetank angezapft

Die USA wollen einen Teil der weltweiten Ölreserven. Auch aus Deutschland soll Öl kommen

BERLIN taz ■ Nun hat auch Kanzler Schröder das Wahlkampfthema der steigenden Benzinpreise entdeckt. Gestern gab er bekannt, dass die Bundesregierung bereit sei, einen Teil der nationalen Ölreserven auf den Markt zu werfen. Allerdings nur in einer konzertierten Aktion mit anderen Industriestaaten.

Hintergrund: Die USA hat bei der Internationalen Energieagentur (IEA) inzwischen beantragt, die weltweiten strategischen Ölreserven freizugeben. Diesen Wunsch werde man „selbstverständlich“ unterstützen, sagte Schröder. Im Gespräch sei, dreißig Tage lang täglich 2 Millionen Barrel Öl zu verkaufen. Macht insgesamt 60 Millionen Barrel. Ein Teil dieser Reserven würde dann aus Deutschland stammen.

Bisher berät der IEA-Verwaltungsrat allerdings noch. Eine Entscheidung wird frühestens am Wochenende erwartet. „Es gibt ständige Kontakte zwischen den 26 Mitgliedstaaten“, hieß es aus Paris. Die IEA-Länder sind verpflichtet, mindestens neunzig Tage ihrer Ölimporte als strategische Reserve vorzuhalten. In Deutschland sind dies momentan etwa 25 Millionen Tonnen. Dazu zählen sowohl Rohöl wie auch Ölprodukte.

Und damit beginnt das Problem. Denn auf den Märkten wird vor allem das Benzin knapp, während es beim Rohöl keinen Mangel gibt. Grund: Der Hurrikan „Katrina“ hat im Süden der USA acht Raffinerien komplett lahm gelegt. Der Benzinausfall kann vor Ort nicht kompensiert werden, weil die Vereinigten Staaten für diesen Notfall nicht vorgesorgt haben. „Sie haben keine strategische Benzinreserve, sondern nur Rohöl eingelagert“, analysiert Ölexpertin Sandra Ebner von der Deka-Bank. Also kaufen die Amerikaner das fehlende Benzin in Rotterdam auf; die Preise steigen auch in Europa.

Eine IEA-Intervention wäre „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Ölhändler Otto Wiesmann. Denn auch in Europa wurde in den öffentlichen Kavernen vor allem Rohöl eingelagert. Allerdings entspannte sich der Markt leicht, sobald bekannt wurde, dass die IEA über die Ölreserven berät. An der New Yorker Warenterminbörse Nymex gaben die „Futures“ im außerbörslichen Handel gestern um 10 Prozent auf 228 Dollar je Barrel nach. Diese Papiere bestimmen jedoch nicht die aktuellen Preise an den Tankstellen. Stattdessen sind es Wetten auf die Zukunft: Momentan wird mit den Futures spekuliert, wie der Benzinpreis im Oktober aussehen könnte. Ölhändler Wiesmann: „Ein Ölschiff braucht zwei Wochen, bis es die USA erreicht.“

Vor allzu großem Optimismus warnt auch Ebner. Selbst wenn die IEA die Ölreserven freigeben sollte, „können die Konsumenten nicht darauf bauen, dass dies das Ende vom Anstieg bei den Benzinpreisen war“. ULRIKE HERRMANN