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die nachrichtRumänien muss Homo-Ehen aus EU-Ländern akzeptieren

Der Europäische Gerichtshof trifft ein Grundsatzurteil: Kein EU-Staat muss die Homo-Ehe einführen – aber er darf auch nicht die Freizügigkeit von EU-Bürgern behindern

Das Neue

Auch Staaten, in denen die Heirat gleichgeschlechtlicher Paare nicht erlaubt ist, müssen sogenannte Homo-Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, anerkennen – wenn sonst die Freizügigkeit von EU-Bürgern beeinträchtigt wäre. Das entschied jetzt die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem Grundsatzurteil. Der Begriff des Ehegatten in der EU-Freizügigkeits-Richtlinie erfasse auch einen homosexuellen Ehegatten, erklärten die Luxemburger Richter am Dienstag auf Anfrage des rumänischen Verfassungsgerichts.

Der Kontext

Der heute 46-jährige Rumäne Adrian Relu Coman lebte einige Jahre in New York, wo er 2002 den Amerikaner Robert Clabourn Hamilton kennen lernte. Die beiden lebten von 2005 bis 2009 als Paar zusammen in New York. Später arbeitete Coman in Brüssel für das Europäische Parlament. Dort heiratete er 2010 seinen Partner Hamilton, der aber weiter in den USA lebte. Als Coman seine Tätigkeit für das EU-Parlament beendete und über einen Umzug nach Rumänien nachdachte, fragte er die dortigen Behörden, ob auch sein Ehemann mit ihm nach Rumänien ziehen könnte.

Die rumänischen Behörden betonten, dass sie Homo-Ehen nicht anerkennen, weil in Rumänien Homosexuelle nicht heiraten können. Hamilton könne sich dort daher nur bis zu drei Monate als Tourist aufhalten. Darin sah das Paar einen Verstoß gegen die rumänische Verfassung und klagte vor rumänischen Gerichten. Das rumänische Verfassungsgericht fragte schließlich den EuGH, ob nicht bereits ein Verstoß gegen EU-Recht vorliege.

Das hat der EuGH jetzt bejaht. Wenn ein rumänischer Staatsbürger faktisch daran gehindert wird, nach Rumänien zu ziehen, weil seine in Belgien geschlossene Ehe dort nicht anerkannt wird, ist sein in den EU-Verträgen garantiertes Recht auf Freizügigkeit verletzt. Rumänien müsse daher Homo-Ehen, die im EU-Ausland geschlossen und gelebt wurden, anerkennen, befand das Gericht. Die rumänische Verfassungsidentität bleibe dabei gewahrt.

Die Konsequenz

Derzeit gibt es noch fünf weitere EU-Mitgliedsstaaten, die gleichgeschlechtlichen Paaren kein Recht auf Eheschließung einräumen: Bulgarien, Polen, die Slowakei, Litauen und Lettland. Auch dort müssen nun im Ausland geschlossene homosexuelle Ehen von EU-Bürgern anerkannt werden, soweit sonst deren Freizügigkeit beeinträchtigt ist.

Die Reaktionen

Die rumänische LGBTI-Organisation Accept fordert nach Informationen des MDR nun die Einführung der Ehe für alle auch in Rumänien. Es sei nicht akzeptabel, wenn in Rumänien nur im Ausland geschlossene Homo-Ehen anerkannt würden. In den Onlinekommentaren der ultrakonservativen Tageszeitung Evenimentul zilei fragte ein Leser sarkastisch „Haben die nun die gleichen Rechte wie normale Leute?“, ein anderer schrieb zynisch: „Morgen oder übermorgen werden wir vor die Tatsache gestellt, dass einige eine Ziege, eine Stute oder ihre eigene Hündin heiraten wollen …“ Christian Rath

Dolmetscher: William Totok

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