Falko Götz kämpft gegen den Abstieg

TRAINERGESCHÄFT Fußball-Drittligist Holstein hat seinen Trainer Falko Götz fristlos entlassen – er soll einen Spieler geschlagen haben. Der vermutet, er solle billig entsorgt werden – und kämpft beim Arbeitsgericht um seinen Ruf

■ Peter Vollmann war Trainer bei Regionalligist Holstein Kiel von Februar 2007 bis Dezember 2008. Er wurde als Tabellenführer und Herbstmeister entlassen.

■ Falko Götz, der im April 2007 von Hertha BSC Berlin entlassen worden war, ersetzte Vollmann, stieg mit Holstein in die Dritte Liga auf und flog im September 2009.

■ Seitdem sitzt Christian Wück, zuvor bei Rot-Weiß Ahlen, auf dem Schleudersitz.

■ Bei Kiel geblieben ist Götz’ Co-Trainer Andreas Thom.

VON ROGER REPPLINGER

„Ich weiß nicht“, fragt Rechtsanwalt Oliver Wendt Kaugummi kauend, „ob Sie wissen, wie es in Fußballerkabinen zugeht?“ Richterin Sabine Göldner-Dahmke lächelt: „Eher nicht, da haben Frauen ja normalerweise keinen Zugang.“

Um die Frage, wie es in Kabinen zugeht, was Trainer tun dürfen und was nicht, geht es. Vor der fünften Kammer des Arbeitsgerichts Kiel hat der Prozess begonnen, den der Fußballtrainer Falko Götz gegen seine fristlose Kündigung durch die KSV Holstein Kiel führt.

Holstein Kiel tritt an mit Wolfgang Schwenke, dem kaufmännischen Geschäftsführer, und Roland Reime, der bei der Provinzial-Versicherung ein hohes Tier war, mal bei Preußen Münster mitmischte, mal beim THW Kiel, und nun Präsident von Holstein Kiel ist. Anwaltlich vertreten wird der Club, der unter Götz in die Dritte Liga aufstieg, von Gabi Krämmer – der Lebensgefährtin von Gerhard Lütje, dem schwerreichen Boss des Holstein-Hauptsponsors Citti.

Krämmers Kanzlei vertritt auch den Handballclub THW Kiel in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Es hängt ja immer alles mit allem zusammen, in Kiel auch. Nur enger. Zum Sponsor Lütje, nicht zum Präsidenten Reime, gingen die Holstein-Spieler Mitte September, um zu erzählen, was fünf Wochen zuvor nach der Niederlage gegen Eintracht Braunschweig in der Kabine passiert sein soll. Mannschaftskapitän Sven Boy erklärte, dass Götz, der mit seiner forschen, fordernden und sehr selbstbewussten Art nicht nur Freunde in der Mannschaft hatte, den offensiven Mittelfeldspieler Marco Stier, 25, angeschrien und drei Mal geschlagen habe. Es habe geklatscht und der Kopf von Stier sei zurückgeworfen worden.

Lütje rief Reime um 7.15 Uhr am 16. September an, bei dem „eine Welt zusammenbrach“. Es folgte ein Gespräch mit dem Trainer, der aus allen Wolken fiel und bestritt, Stier geschlagen zu haben. Dann die mündliche Beurlaubung, zwei Tage später die schriftliche, fristlose Kündigung.

Götz hatte einen Vertrag bis 2013, für Drittligaverhältnisse hoch dotiert. Reime sagt vor Gericht, „dass wir stolz und glücklich waren, einen solchen Trainer verpflichtet zu haben“. Götz und sein Co-Trainer Andras Thom sollten die Mannschaft in die Zweite Liga führen. Deshalb geht es jetzt um viel Geld, aber vor allem, wie Götz’ Anwalt sagt, „um meines Mandanten berufliche Existenz“. Denn welcher Club nimmt einen Trainer, der seine Spieler schlägt?

Nachdem vor wenigen Tagen ein Gütetermin beim DFB gescheitert war, weil das Angebot, das die Kieler ihrem Ex-Trainer machten, nur einen Bruchteil der Forderungen abdeckte, machte nun auch Richterin Göldner-Dahmke einen Vorstoß in diese Richtung. Sie hatte beiden Seiten die Schwierigkeiten eines langen Arbeitsgerichtsprozesses, möglicherweise durch mehrere Instanzen, klar gemacht. Holstein Kiel müsse „die Kammer überzeugen, dass es hier tatsächlich ein massives Schlagen, im strafrechtlichen Sinne eine Körperverletzung, gegeben habe“. Die Hürde für fristlose Kündigungen liege hoch. Götz wies sie auf die durch einen Prozess beeinträchtigten Chancen hin, einen neuen Job zu finden.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten beide Seiten eine Halbzeit lang. Das ist nicht einfach, denn man kennt sich. Götz und seine Frau hatten mit Anwältin Krämmer und Sponsor Lütje gesellschaftlichen Verkehr. Das Porzellan, von dem sie gegessen haben, ist zerschlagen. Die Verhandlungen blieben ohne Ergebnis. Das Holstein-Angebot in Kiel war nur unwesentlich besser als das beim DFB. Daher kündigte Göldner-Dahmke den nächsten Verhandlungstermin für Januar an.

Mit acht Spielern will Gabi Krämmer dann die Misshandlung bezeugen, den Einwand, die Spieler hätten die Angelegenheit wochenlang unter der Decke gehalten, ebenso entkräften wie die Frage, warum die Mannschaft, vor allem der Spieler Stier, in den Wochen nach den vermeintlichen Schlägen so gut spielte.

Götz und Wendt vermuten, dass Spieler, die sich auf dem Abstellgleis wähnten, eine Gelegenheit suchten, den Trainer loszuwerden. Lütje und der andere Holstein-Hauptsponsor, Hermann Langness, Milliardär und Chef der Famila-Einkaufsmärkte, hätten eine günstige Lösung gesucht. Für sie ist eine fristlose Kündigung sehr günstig.