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Das Abtreibungsverbot in Irland ist bald Geschichte

Eine deutliche Mehrheit der IrInnen stimmt bei einem Referendum am vergangenen Freitag für eine Liberalisierung. Diese soll spätestens bis zum Jahresende in Kraft treten

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Vor dem Wandgemälde der jungen Frau mit den dichten schwarzen Haaren und dem Bindi, dem hinduistische Stirnzeichen, liegen Blumensträuße. Auf ihrem Gesicht stehen drei Buchstaben in blasser Farbe: „YES.“ Hunderte kleiner Zettel mit kurzen Botschaften kleben neben dem Bild im Dubliner Stadtteil Portobello. „Entschuldige, dass wir zu spät kamen“, steht auf einem, „aber jetzt sind wir hier.“ Auf einem anderen heißt es: „Ich habe für dich gestimmt. Wir werden dich und all die anderen Frauen, die gelitten haben, nie vergessen.“

Das Bild des Graffiti-Künstlers Aches zeigt die indische Zahnärztin Savita Halappanavar. Sie war in der 17. Woche schwanger, als sie im Oktober 2012 mit heftigen Schmerzen ins Universitätskrankenhaus der westirischen Stadt Galway eingeliefert wurde. Die Ärzte stellten fest, dass bei ihr eine Fehlgeburt eingesetzt hatte. Die 31-Jährige bat die Ärzte mehrmals, den Fötus aus der Gebärmutter zu entfernen, doch die weigerten sich: Solange das Herz des Embryos schlage, dürften sie nichts unternehmen. Eine Woche später starb Halappanavar an einer Blutvergiftung.

Ihr Tod löste eine Wiederbelebung der Kampagne für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbots aus. Am Freitag stimmte Irland in einem Referendum mit Zweidrittelmehrheit für die Streichung des 8. Zusatzparagrafen aus der Verfassung.

Dieser Paragraf, der 1983 ebenfalls per Volksentscheid in die Verfassung aufgenommen worden war, räumte dem Fötus dasselbe Lebensrecht wie der Schwangeren ein und machte Abtreibungen praktisch unmöglich. 170.000 Irinnen sind seitdem nach England gereist, um die Schwangerschaft abbrechen zu lassen – auch aus Nordirland, denn dort sind Abtreibungen nach wie vor verboten. Das britische Abtreibungsgesetz gilt in der britischen Provinz nicht.

„Das Ergebnis bedeutet mir sehr viel“, sagt Laura Mahon, „und es bedeutet Irlands Frauen sehr viel.“ Sie habe Glück gehabt, sagt sie. „Savita hatte kein Glück.“ Mahon ist 22, sie stammt aus Waterford und studiert Sprachtherapie an der Universität Limerick. Zurzeit macht sie ein Praktikum in London. Am Freitag flog sie, wie Tausende andere im Ausland lebende Irinnen und Iren, nach Hause, um ihre Stimme abgeben zu können. Eine Frau hatte ihren Namen auf der Webseite „Abroad for Yes“ – „Im Ausland für ein Ja“ – gefunden. „Sie konnte aus Zeitgründen nicht nach Irland kommen“, sagt Mahon. „Deshalb hat sie meinen Flug bezahlt, damit ich abstimmen konnte.“

Am Samstagabend kam Mahon wie Tausende andere in den Innenhof des Dubliner Schlosses und wartete auf die Verkündung des amtlichen Resultats. Die Menschen waren zum Feiern gekommen, denn es war seit den Morgenstunden klar, dass die Ja-Seite deutlicher als erwartet gewonnen hatte. Unter Tränen umarmte Mahon Gesundheitsminister Simon Harris.

„Simon hat sich auch seit Monaten furchtbare Sachen anhören müssen“, sagte sie. „Ich wollte ihm einfach nur danken, dass er sich nicht hat unterkriegen lassen.“ Harris antwortete, sie solle nicht ihm danken, sondern allen Menschen in Irland, die mit Ja gestimmt hatten.

Abtreibungen sollen bis zur 12. Woche der chwangerschaft auf Verlangen erlaubt werden

Am Montag wird er sich vom Kabinett die Erlaubnis holen, eine Gesetzesvorlage zu formulieren. Was drinstehen wird, hat die Regierung vor Monaten erklärt: Abtreibungen sollen bis zur 12. Schwangerschaftswoche auf Verlangen erlaubt werden. Bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren sowie fötalen Missbildungen kann die Schwangerschaft auch später abgebrochen werden, wenn die Ärzte zustimmen.

Das Gesetz wird dem Parlament noch vor der Sommerpause vorgelegt. Spätestens zum Jahresende soll es in Kraft treten. Ob es die Minderheitsregierung von Fine Gael („Stamm der Gälen“) dann noch gibt, ist ungewiss. Experten rechnen mit Neuwahlen nach der Vorstellung des Haushaltsplans im Oktober. Die Spitzen der drei großen Parteien hatten sich für ein Ja im Volksentscheid ausgesprochen.

Für Micheál Martin, Chef von Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“), war es ein riskantes Manöver, denn die Mehrheit seiner Partei sowie der Basis ist gegen Abtreibung. Viele erklärten aber am Wochenende, dass sie den Willen des Volkes respektieren, auch wenn sie enttäuscht seien. Irland habe „etwas Wunderschönes verloren“, sagte Senator Ronán Mullen. „Eine Menge ungeborener Kinder werden ihr Leben verlieren.“

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