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wochenschnackDie Ehe, eine Staatsangelegenheit

Das Heiraten eines nicht-deutschen Partners kann sehr kompliziert sein. Das zeigen die Fälle, die wir vor einer Woche geschildert haben

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Ganz schön naiv

„Absurd ist auch, dass die Ausländerbehörde wissen will, ob man zusammenwohnt, und wenn man das nicht tut, bekommt man gegebenenfalls Ärger, dann versuchen sie die ganze Zeit rauszufinden, ob es um eine Scheinehe geht.“

Das absurd zu finden, ist ganz schön naiv. Geht es doch der Ausländerbehörde darum herauszufinden, ob die Ehe, so wie hier, nicht nur als Mittel zum Zweck dient, eine Aufenthaltsberechtigung zu bekommen.

Das ist übrigens ganz analog (nur mit umgekehrten Vorzeichen) zu den Nachforschungen der Sozialleistungsträger, mit denen festgestellt werden soll, ob eine „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ vorliegt.

Limits2Growth, taz.de

Mehr als ein Modell

@Limits2Growth Also ich kenne zwei verschiedene Ehepaare die zwar in derselben Stadt wohnen, aber jede*r im eigenen Haus.

Das heißt nicht, dass sie nicht regelmäßig sich auch zusammen in dem einen oder dem anderen aufhalten. Kinder sind auch (bei einem der Ehepaare) vorhanden. Alles ist gut.

Ein anderes mir bekanntes Ehepaar hat eine grosse Eigentumswohnung in Deutschland und ein Haus in Spanien. Sie ist meist in Spanien, er lieber in Deutschland. Da sie Rentner sind, können sie sich ihre Zeit frei einteilen und gelegentlich fährt er dann für sechs bis acht Wochen in den Süden, und meist über Weihnachten kommt sie dann einen ähnlichen Zeitraum nach Deutschland.

Eine glückliche Ehe. Sie gehen sich nicht auf den Geist, lassen sich die Freiheiten, die sie brauchen. Und sie haben keine anderen Nebenpartner, falls das jemand denkt.

Es gibt auch genügend Ehen/Partnerschaften bei denen beide berufsbedingt in verschiedenen Städten leben.

Meine Eltern mussten dies schon Ende der 50er und in den 60ern so handhaben.

Mein Vater wurde als Soldat regelmäßig versetzt und so haben sie von zwölf Jahren acht in verschiedenen Städten gelebt und sich nur am Wochenende und in den Schulferien gesehen, da sind wir immer alle in der „Vaterstadt“ gewesen. Den Urlaub hat er dann immer genommen, wenn keine Ferien waren und ist dann in der Mutterstadt gewesen.

Warum schreibe ich das jetzt so ausführlich?

Es gibt mehr als ein Familienmodell und zum Teil verlangt sogar der Staat, dass es auf diese Weise abläuft.

Scheinehe ist ein komischer doppeldeutiger Begriff, denn schon das Wort „Schein“ hat die verschiedensten Bedeutungen. Was soll an einer Scheinehe so schlimm sein?

Friderike Graebert, taz.de

Offensichtlich ungleich behandelt

@Limits2Growth Es ist nicht naiv, sondern reichlich clever. Naiv ist es, das für normal zu halten, dass an bestimmte Ehen Anforderungen gestellt werden, die an andere Ehen nicht gestellt werden.

Denn es ist ja offensichtlich, dass hier Eheleute ungleich behandelt werden. Denn normalerweise werden an eine Ehe eben keine Anforderungen gestellt. Sie dürfen aus jedem erdenklichen Grund heiraten und ihre Ehe führen, wie sie wollen. Niemand wird eine Ehe als „Scheinehe“ bezeichnen, nur weil die Eheleute – wie sonst üblich – keine Nachkommen zeugen.

Manche Leute heiraten, um den Ehepartner irgendwann zu beerben. Warum sollte es für beide dann nicht in Ordnung sein, wenn sie heiraten, damit einer von beiden eine Aufenthaltserlaubnis bekommt?

Auch die Analogie zu den Nachforschungen der Sozialträger sollte uns irritieren, statt diese naiverweise für „normal“ zu halten. Was passiert denn da? Da werden Leute unter dem Begriff „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ quasi zwangsverheiratet und einer Seite die Leistungen gestrichen, wenn die andere Seite genug verdient. Wenn es dann aber um die Steuer geht, sind beide wieder geschiedene Leute. Auf eine Steuerminderung wie bei Ehepaaren darf die Seite, die Geld verdient, dann wieder nicht rechnen – dann gilt wieder die höchste Steuerklasse.

Kurz: Ob man verheiratet ist oder nicht, interessiert den Staat hier nicht wirklich, sondern er legt sich die Sache immer so zurecht, wie es gerade für ihn günstig zu sein scheint. Die einen sind dann trotz Trauschein unverheiratet und die anderen ohne Trauschein werden behandelt wie verheiratet.

Und Leute, die das für absurd halten, halten Sie für naiv?

Thomas Worm, taz.de

Nicht genug aus der Geschichte gelernt

Zitat: „Warum ich Ato dann doch selbst geheiratet habe, hängt damit zusammen, dass es eben auch heikel ist, öffentlich als Paar aufzutreten, wenn der eine Partner für die Ausländerbehörde mit jemand anderem verheiratet ist.“

Gründe sind so unterschiedlich wie Menschen. Dass ich meinen Mann geheiratet habe, hängt beispielsweise nicht nur mit seiner Zuverlässigkeit und seiner Intelligenz zusammen, sondern auch mit dem Gedanken, dass die Kinder, die ich unbedingt wollte, in einer Gesellschaft aufwachsen werden, die nicht genug aus ihrer Geschichte gelernt hat.

Das Risiko, rechten Ideen auf den Leim zu gehen, ist groß in autoritären Gesellschaften. Es wird geringer, wenn der Vater, der immer da ist und einen liebt, nicht aussieht wie alle anderen Väter.

An ihrer Herkunft werden meine Kinder niemals etwas ändern können. Sie können sich auch nicht belügen in diesem Punkt. Zum Glück haben sie das auch nie gewollt.

mowgli, taz.de

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