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Die internationale Bande

Das andere Dresden: Die linke Brass-Kapelle Banda Comunale spielt seit einigen Jahren mit geflüchteten Musikern zusammen und nennt sich nun Banda Internationale – ein tolles Experiment mit ordentlich Wumms

Tönen gegen Pegida: Die Banda Internationale Foto: Moritz Schlieb

Von Steffen Greiner

„Es ist ja absurd. Dass wir, als Pegida mit 20.000 Leuten marschiert ist, die Gegendemo ­angemeldet haben. Dass weder Ministerpräsident noch Bürgermeister vorne mit dabei waren, sondern eben eine lausige ­Blaskapelle“, sagt Michal Toma­szew­ski. Tomaszewski ist Klarinettist der Dresdener Gruppe Banda Internationale, die 2001 als kleines musikalisches Projekt unter dem Namen Banda Comunale begann und heute fast eine Institution geworden ist: Die Mitglieder geben Workshops an Schulen, sie gründeten eine zweite, von Fördermitteln getragene Gruppe, die Musik mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten macht. Heute werden sie gern mal zum Aushängeschild für ein buntes Sachsen gemacht: „Wenn man es nötig hat, bitteschön“, sagt Tomaszewski. „Nur wird es jedem auffallen, dass wir nicht die einzige Antwort sein können auf die Missstände in diesem Bundesland.“

Ursprünglich stand alles in der Tradition italienischer Dorfblaskapellen. Die Musik: Massiv erweitertes Blechblasrepertoire zwischen Balkan-Brass, lateinamerikanischen und orientalischen Rhythmen und Jazz. Ihr Dorf: Dresden. Die Umstände: die rassistische Normalität Deutschlands. Die meisten Gründungsmitglieder der Gruppe waren damals neu in Dresden, berichtet Tomaszewski, der von Anfang an dabei war – neu in der Stadt und schockiert darüber, wie selbstverständlich Nazis in der Stadt Flagge zeigen konnten. „Uns war klar, dass wir uns beteiligen wollten, aber anders. Also haben wir Blasmusik gemacht. Die meiste Zeit spielten wir zwanzig Konzerte im Jahr. Und dann kam Pegida.“ Als der Zulauf zu den rechten Märschen im Winter 2014 immer massiver wurde, war es die Banda Comunale, die den Gegenprotest anführte.

„Die Initialzündung war aber Freital. Da bin ich eine Woche lang hingefahren, nachdem Lutz Bachmann dazu aufgerufen hatte, dass sich ‚das Volk wehren‘ soll.“ In der Stadt, wenige Kilometer südlich von Dresden, eskalierte im Sommer 2015 die rechte Stimmungsmache gegen geflüchtete Menschen. „Wenn du in Sachsen im Bus ankommst und da fliegen Flaschen, ganz egal, ob du wegen des guten Lebens hier bist, oder weil bei dir zu Hause Krieg ist – das ist einfach unanständig. Dass diese Stadtgesellschaft sich nicht benehmen kann, das hat uns fertiggemacht.“ Diesmal reichte es der Gruppe nicht, Stimmung zu machen, linke Energie und bürgerlichen Anstand zu aktivieren. Sie tourte durch Erstaufnahmelager und Schulen in der sächsischen Provinz, lernte Menschen kennen, für die Musik einen ganz anderen Wert hat als bloße Unterhaltung – der Schritt, die Band zumindest vorübergehend zu erweitern, lag auf der Hand. „Wir haben Flyer verteilt, in allen möglichen Sprachen – und innerhalb von zwei Wochen hatten wir die Bude voll.“

Fast schon erstaunlich, wie jener Sommer 2015, ein Sommer hochgekochter Emotionen und improvisierter Lösungen, unter der Hand ein so nachhaltiges Projekt auslösen konnte. Schnell gehörten mehrere geflüchtete Musiker zum Kern der Band, etwa der Cellist Akram Younus Ramadhan Al-Siraj aus dem Irak, der syrische Oud-Spieler Thabet Azzawi. Ab dann war alles Experiment. „Wir haben die Leute gebeten, uns ihre Musik vorzuspielen, und wir haben gemerkt, dass auch die meisten neuen zu unserer Musik gern tanzten – witzigerweise waren unsere Klezmerhits unter den Arabern absolut durchschlagend. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir daraus etwas Eigenes entwickelt haben. Du hast altbekanntes arabisches Kulturgut, und dann brettert unser Schlagzeuger auf die Pauke, und es wird etwas zwischen Drum ’n’ Bass und HipHop. Alles ist organisch“, sagt Michal. „Und genauso war es mit dem Projekt insgesamt: Am Anfang war es komisch, man hat sich nicht immer verstanden, nicht genau gewusst, wie – und nach zwei Jahren kann ich für die meisten meine Hand ins Feuer legen.“

Nach Freital suchte die Banda den Kontakt zu Geflüchteten

Mittlerweile gibt es ein Album, es wurde im letzten Jahr beim Münchner Label Trikont veröffentlicht, das eine lange Tradition mit linker Blasmusik abseits von Bergmannskapelle hat. „Kimlik“ heißt es, ein türkischer Begriff: „Identität“ bedeutet er und „Ausweis“, zwei zentrale Begriffe im Diskurs über Geflüchtete, aber auch Begriffe, die ihre Relevanz verlieren, wenn die Banda Internationale ihr musikalisches Material in die Mangel nimmt. Und das ist keine Einbahnstraße: „Unser Sänger Ezé Wendtoin trägt eine ganz eigene Soundwelt in sich, auch eine eigene Karriere. Er hat deutschen Schlager entdeckt – Rudi Carrell, Reinhard Mey, geile Nummern.“ Und auch, wenn eine Mehrheit der Banda sich mit dieser Richtung nicht anfreunden können mag: Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ gehört zum Repertoire.

Von Protest zu produktiver Aufbauarbeit an der Basis. Deutsche, die mit Geflüchteten spielen, für Geflüchtete, aber auch für Deutsche, die so zum ersten Mal mit Geflüchteten in Kontakt treten, und immer wieder gegen Deutsche, für die solche Begegnungen und eine solche neue Heimatmusik ein Ärgernis sind. Konfrontation und Integration, Workshops, Demos und Konzerte. Es lastet einiges auf diesem Projekt, das von Menschen getragen wird, die im Museum arbeiten oder im Knast oder die Medizin studieren, und bei aller Leichtigkeit und allem Feuer des Sounds: Ein wenig ist die Erschöpfung doch zu hören, wenn Michal berichtet. Aber vermutlich ist die Idee der Banda zu gut, um sie an den Alltagssorgen dieses Systems scheitern zu lassen: „Mein Wunsch wäre es – in der Tradition dieser italienischen Blaskapellen –, dass die Band noch existiert, in 50 Jahren, wenn die Leute, die sie initiiert haben, längst über den Teich sind.“

Live: 25. 5. Chemnitz, 26. 5. Dresden, 31. 5. Marburg, 2. 6. Dresden, 8. 6. Leipzig, 9. 6. Greifswald, weitere Daten: www.bandacomunale.de Banda Internationale: „Kimlik“ (Trikont/Indigo)