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Für Europa, gegen „Genderideologie“

FDP-Parteitag in Berlin: Eine deutliche Mehrheit lehnt die Lockerung von Sanktionen gegen Russland ab. Lindner liefert am Samstag wieder eine One-Man-Show

Parteitagsmotto „Innovation Nation“: Lindner auf dem FDP-­Parteitag Foto: dpa

Von Martin Reeh,Berlin

Die FDP hält an Sanktionen gegen Russland fest. Zum Abschluss ihres Bundesparteitages in Berlin unterstützte eine deutliche Mehrheit der Delegierten einen entsprechenden Antrag des Bundesvorstandes unter Parteichefs Christian Lindner. Damit geht eine wochenlange Auseinandersetzung zwischen Lindner und Wolfgang Kubicki zu Ende. Der Parteivize hatte in Interviews gefordert, als ersten Schritt einen Teil der Sanktionen aufzuheben. Ein entsprechender Änderungsantrag Kubickis, in dem es hieß, die Sanktionen hätten keine erkennbaren Fortschritte in Richtung einer „deeskalierenden und friedensstiftenden Wirkung“ erzielt, wurde abgelehnt.

Damit ging ein zweitägiger Parteitag zu Ende, bei dem erneut deutlich wurde, wie sehr die FDP auch nach ihrem Einzug in den Bundestag an Christian Lindner hängt. Zum Auftakt durfte diesmal Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprechen statt Wolfgang Kubicki wie im Vorjahr. Beide sind Parteivize, Strack-Zimmermann fehlt aber das Ironisch-Bissige Kubickis. Gegen die Unruhe im Saal kam sie kaum an.

Dann kam Lindner. Fast eineinhalb Stunden dauerte seine Rede. Seine Antwort auf die Kritik am Ausstieg der Liberalen aus den Jamaika-Verhandlungen hieß: sich als besseren Außenpolitiker als die Kanzlerin zu präsentieren. „Wenn Deutschland sich nicht bewegt, wird sich in Europa nichts bewegen“, sagte er. „Jetzt ist Leadership nötig.“ Merkel habe auf Macrons Ini­tia­tiven zu Europa vage reagiert: „Wenn Kohl und Genscher 1989 die gleiche Zögerlichkeit gehabt hätten wie Merkel heute, wäre es nicht zur deutschen Einheit gekommen. Es ist Zeit für das deutsche Ja zu Europa.“

Was nicht heißt, dass Lindner Macrons wirtschaftspolitische Vorstellungen für Europa wie ein Eurozonenbudget unterstützt. Lindner befürwortet aber „ein europäisches FBI, einen EU-Haushalt mit Schwerpunkt bei Zukunftstechnologien“ und eine gemeinsame europäische Verteidigung im Rahmen der Nato.

„Die CSU geht den Weg von Viktor Orbán“

Christian Lindner

Ein weitere Frage, die Lindner angesprochen hat, aber erst 2019 zur Entscheidung ansteht, ist die Frauenförderung innerhalb der Partei. Nur 19 der 80 liberalen Bundestagsabgeordneten und nur 18,5 Prozent der Neumitglieder sind Frauen. Ergebnisoffen soll nun über verschiedene Möglichkeiten beraten werden, darunter auch eine Quote. „Weil wir wachsen wollen, müssen wir bei Frauen stärker werden. Denn es wählen uns mehr Männer als Frauen“, sagte er. Dennoch sei dies keine Anpassung an grüne Vorstellungen: „Grüne und Linke wollen tendenziell jeden Unterschied zwischen Geschlechtern verwischen. Die FDP ist die Alternative für Frauen, die selbstbestimmt leben und die sich von jeder Form der Genderideologie frei machen wollen.“ Gene­ralsekretärin Nicola Beer blieb beim Parteitag einer Quote gegenüber skeptisch: Die sei „eine Krücke“. Quoten passen nicht richtig ins Selbstbild einer Partei, die möglichst wenig verordnen will.

Die Grünen bekamen diesmal für FDP-Verhältnisse relativ wenig ihr Fett ab, dafür griff Lindner die CSU an. Im Herbst finden in Bayern Landtagswahlen statt, die Liberalen kämpfen um den Einzug in den Landtag. „Die CSU geht den Weg von ­Orbán“, sagte Lindner mit Blick auf den ungarischen Ministerpräsidenten. Die CSU kopiere dessen antiliberale Politik und mache das „Kreuz zum Symbol der Spaltung“.

Kritiken, der Liberalismus sei „auserzählt“, wies Lindner zurück. „Liberalismus war zu jeder Zeit die umfassende Antwort auf Unfreiheit. Wir brauchen kein neues Narrativ“, schloss er. Nach Lindners Rede strömten Delegierte und Gäste in Scharen aus dem Saal. Mehr Redner, die die eigenen Delegierten im Saal halten können, braucht die FDP auf jeden Fall.

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